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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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Namen, seine Merkfähigkeit für die einfachsten Alltäglichkeiten, habe rapide nachgelassen. Wen er am Morgen begrüße, den kenne er am Nachmittag schon nicht mehr. Die einfachsten Staatsgeschäfte würden zu unlösbaren Hürden. Auch die Kräfte des Körpers ließen nach, das Aufstehen, das Anziehen, ja selbst das Essen wäre ohne Hilfe nicht immer vollständig möglich. Er, Metzsch, komme gerade von Schloss Pillnitz, wo seine Majestät ja seit dem Sommer Quartier bezogen, aber alle Vorbereitung für den Umzug Seiner Majestät nach Dresden, besonders der Kühle und des schlechten Wetters wegen, aber auch der Gesundheitsfürsorge halber, seien jetzt in vollem Gange. So habe er leider kaum eine Sachfrage ansprechen können …
    Der Gesamtminister machte eine Pause, betretenes, achtungsvolles Schweigen herrschte im kleinen Nebenraum des Cafés Seidelmann. Einer hüstelte, es war der Sekretär Guterstein, er zeigte mit seinem langen gelben Finger auf die rote Mappe, die er nach dem Essen vor sich auf die Knie bereitgelegt hatte. Graf Metzsch blickte auf, nickte, wusste Bescheid.
    Ja, also, meine Herren, kommen wir nun zu einigen politischen Fragen. Guterstein erhob sich, reichte die Mappe. Der große Minister nestelte an den Schnüren, schlug sie auf. Er wolle, worauf er dem einen oder anderen gegenüber und auch im Kabinett schon aufmerksam gemacht habe, jetzt in diesem kleinen ausgewählten Kreis auf die Wahlergebnisse und damit auf die Machtverhältnisse in der Zweiten Kammer zurückkommen. Besonders die Auswirkungen wolle er ansprechen, äußerst wichtige Auswirkungen, die im Königreich Sachsen besonders zu beachten wären. Und während er mit gesenkter Stimme diese Worte in beinahe leisem, in einer Art Verschwörerton gesagt hatte, blickte er dem Paul Mehnert, seinem politischen Intimus, ins Gesicht, zog die Brauen hoch, zuckte unmerklich mit den Schultern, neigte, eine Winzigkeit nur, den Kopf, und der alte Fuchs und Parteifreund Mehnert wusste, Metzsch bedauerte, dass mit dem jungen Sterneck heute ein Mann im Raum säße, für dessen Ohren das Ganze nicht unbedingt bestimmt wäre.
    Das stumme Zwiegespräch dauerte noch eine kurze Zeit an, indem Mehnert seinem Chef mit den Augen, mit ein paar geheimen Zeichen noch und sogar mit einem kleinen Zettel, den er ihm zuschob, zu verstehen gab, er könne nichts dafür, aber dieser junge Mensch wäre nicht aufzuhalten gewesen, er wolle ihm, dem Gesamtminister, noch irgendetwas, seiner Meinung nach Wichtiges, mitteilen. Was es wäre, wisse er nicht …
    Metzsch verstand, las den Zettel, lächelte, und es war dieses Lächeln, was in seinem Ministerium gefürchtet war, ein Lächeln wie ein Wetterleuchten, wie das Unheildrohen vor einem Gewitter, das in einem Aufblitzen der Augen unter den dichten, drahtigen Brauen und in einem unmerklichen Zucken der Mundwinkel bestand. Auch der junge Dr. Sterneck kannte dieses Lächeln und er hatte es schon ein paar Mal fürchten gelernt, aber gerade heute wusste er es nicht zu deuten, denn just im Augenblick, als sich der Gesamtminister und Mehnert insgeheim ausgetauscht hatten, war er vom Sekretär Gutenstein von hinten wegen irgendeiner Banalität, einer Formsache, angesprochen worden, er hatte sich zu dem Juden umgedreht und so das Wichtigste verpasst.
    Und deshalb erschrak der junge Mensch umso mehr, als der mächtige Mann jetzt unvermittelt das Wort an ihn richtete: Bevor er aber auf die Wahlen und die politischen Verhältnisse zu sprechen komme, wolle er noch etwas von ihm, seinem jungen Assistenten, wissen. Er habe nämlich gerade erfahren, sagte der Gesamtminister und runzelte die buschigen Brauen, dass er, der junge liebenswerte Dr. Sterneck, ausgerechnet wegen ihm, seinem Vorgesetzten, heute am heiligen Sonntag ins beschauliche Café Seidelmann geeilt wäre. Was es denn so Dringendes gäbe, das nicht Zeit bis zum Wochenanfang im Amt hätte?
    Sterneck wurde rot, verlor seine Sicherheit, stammelte. Es ginge um den Brief an den Maler Schneider, fing er an, jenen Brief, den er kürzlich für seine Exzellenz aufgesetzt habe und der dem Maler abgesagt habe, in die Königlichen Kunstsammlungen und die Dauerausstellung der Akademie aufgenommen zu werden …
    Der Gesamtminister wurde unwirsch, und deswegen mache er es dringlich, wegen so einer Lappalie? Solche Schreiben seien Routine, er besinne sich und er besinne sich nicht.
    Was er aber in dem Schreiben nicht erwähnt habe, wagte der junge Beamte einzuwenden, was sozusagen hinter den

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