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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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musste es mein Wilhelm zu uns bringen und hier aufstellen? Er ist manchmal so schrecklich impulsiv. Das wird noch ein Ärgernis werden. Am liebsten, flüsterte sie Klara ins Ohr, würde ich es wieder loswerden.
    Wollen Sie es nicht … sie brach ab, sie hatte bemerkt, wie Frau May frostig und still geworden war, auch hatte sie durch die offene Kabinettstür einen forschenden Blick ihres Mannes eingefangen.
    Kommen Sie, man wartet auf uns.
    Es wurden Getränke gereicht. Einige der Gäste standen beisammen, unterhielten sich leise, andere hatten sich in die niedrigen Lederdiwane gesetzt, rauchten, starrten vor sich hin.
    Schneiders Schweigen hatte allen den Eindruck vermittelt, die Überraschung des Gastgebers wäre in irgendeiner Weise missglückt. Man fühlte sich unbehaglich, wusste nicht, auf welche Seite man sich schlagen sollte, zumal der Maler durch sein beharrliches Schweigen diese Unsicherheit noch verstärkt hatte.
    Einzig der Schauspieler Kumpfmüller sprach laut. Mit starken Worten, derb, direkt, äußerte er sein ausdrückliches Wohlwollen. Die Nischel, rief er und meinte die Staatsbürokratie, brauchen solche Niederlagen, es werde Zeit für radikale Lösungen. Und er schwadronierte über Thesen der Sozialdemokratie, redete sehr laut von der Revolution, Speichel tropfte aus seinem Mund.
    Neben ihm der Maler Unger saß teilnahmslos in seinem Bauernfrack, ohne seinen geliebten Strohhut, auf seiner kalt gewordenen Pfeife herumkauend. Politisches war ihm zuwider. Diese ganze Abendgesellschaft ekelte ihn an. Überraschung!? Oh Gott. Auf was hat sich der Sascha da nur eingelassen. Das wird ihm nicht gut ausgehen. Sie werden ihn nicht wieder zulassen für die nächste Kunstausstellung …
    Schließlich schwieg auch der Schauspieler Kumpfmüller.
    Fast eine Minute war es still im Persischen Salon, man hörte nur den schweren Atem des Schauspielers und das leise Plätschern der Springbrunnen. Alle schielten auf den Gastgeber, nun, nachdem der Maler Schneider sich noch immer nicht geäußert hatte, schauten sie mit dem undeutlichen Gefühl, da müsse noch etwas kommen, da sei irgendetwas zweideutig. Aus dem fleischigen Antlitz des Architekten Kreis verschwand langsam der gutmütige Stolz, guten Freunden eine schöne Sache vorzuführen; seine Züge wurden schlaffer, ein Ausdruck von Hilflosigkeit zeigte sich.
    Auf einmal in die Stille hinein hörte man die kauzige Kasernenstimme des Malers Richard Müller. Er hatte sich erhoben, die Daumen in die Ärmelausschnitte seiner Weste geklemmt, machte, den Kopf nach hinten gebogen, ein bissiges Gesicht. Ein Saustall sei es, rief er, der ganze Kunstbetrieb ein einziger Saustall, der mit eisernem Besen ausgemistet gehöre. Diese bürgerliche Bagage in Dresden hätte noch nicht begriffen, wer da unter ihnen arbeite und lebte. Ein Genie wie unser Sascha gehöre an die Spitze der Akademie und nicht irgendwelche Halbjuden oder Sozialdemokraten. Er warf dem Schauspieler Kumpfmüller einen angriffslustigen Blick zu. Das könne denen so passen, diesen Lackaffen, Schneiders Bilder der jüdischen Feme zu überantworten oder irgendeinem sozialdemokratischen Mob.
    Alle spürten, dass die klobigen Sätze dem Richard Müller direkt aus dem Gemüt kamen. Man spürte aus ihnen die Liebe des Mannes, von dem sie nicht nur heute, sondern auch sonst gallige und kernige völkische Urteile zu hören gewohnt waren, die Liebe zu einer nationalen Idee, zu einer Überzeugung, die er aus seiner böhmisch-österreichischen Heimat mit hierher ins versöhnliche und beschauliche Dresden gebracht hatte.
    Trotzdem, allen schienen die Müller’schen Reden nicht zu passen. Graf Hardenberg schüttelte begütigend seinen bärtigen Kopf und meinte: Na, na … mein Lieber! Kreis, der Gastgeber, strich sich peinvoll verlegen das Oberlippenbärtchen; er dachte an den Erfolg seines Abends, sah die unzufriedene Miene seiner Frau und das erste Mal kamen ihm Zweifel, ob seine Idee mit dem Schneider-Überraschungsbild vielleicht doch nicht so eine gute Idee oder ob nicht auch die Zusammensetzung der Gäste keine so glückliche gewesen war.
    Er lächelte verkrampft, tat so, als nähme er die derben Worte des Malers Müller für einen guten Witz.
    So war es allen willkommen, wie jetzt Karl May aus seinem Sessel aufstand. Er machte dem Gastgeber ein Zeichen, dass er ums Wort bitte. Er hatte bis jetzt wenig gesagt, nur in kleinen Nebengesprächen Allgemeines und weniger Wichtiges geäußert, hatte sogar nebenher ein paar

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