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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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Laune. Er umarmt seine Frau, er umarmt Klara May, er umarmt Karl May, er umarmt überhaupt alle, auch den Maler Schneider. Das müssen wir feiern! Gleich gibt’s die nächste Überraschung.
    Mühlberg, an May herangetreten, flüstert: Gratuliere! So werde der Junge wieder auf die Beine kommen. Dass er uns nicht verhungert. Geben Sie das Ihre, ich werde noch einen Tausender dazulegen. In Ordnung! sagt May, dann geht er auf Sascha Schneider zu.
    Die beiden schließen sich in die Arme. Schneider weint, May küsst ihn auf die nassen Wangen, sagt, er wisse schon, was gemalt werden solle, er habe eine Idee für das Bild. Schneider strahlt ihn an, und er wisse auch schon, was er schaffen werde, er habe klare Vorstellungen, in drei Wochen werde er eine Skizze vorlegen. Dreitausend, mein Lieber, flüstert May. Was Dreitausend? fragt der Maler. Dreitausend Reichsmark werde er am Montag überweisen, a Konto, pränumerando sozusagen. Egal, wann es fertig werde! Der Maler lacht. Laut und schallend lacht er. Sie sind ein Teufelskerl, May! Tausend Dank. Ach was, Zehntausend Dank!
    Sekt wurde gereicht. In geschliffenen Gläsern. Man stieß an. Zum Wohle! Auf Karl May! Auf Sascha Schneider! Auf Wilhelm Kreis! Er lebe hoch! Im Persischen Salon der Villa Thorwaldsen gab es ein Klingen und Klingeln. Jeder trank mit jedem. Alle wirkten gelöst, fröhlich, ausgelassen. Die schwermütige Stimmung schien sich endgültig davongemacht zu haben. Sogar Richard Müller hatte Schneider gratuliert, er hatte ihm auf die Schulter geklopft und einen derben Witze erzählt. Die Umstehenden bogen sich vor Lachen.
    Vom Alkohol enthemmt, seinem Naturell nachgebend, bemächtigte sich jetzt der Schauspieler Kumpfmüller der zarten Russin Andrejewna, hemmungslos, gefräßig. Der klobige, sehr proletarische Mann mit seinem zernarbten roten Schädel und den borstigen dunkelblonden Haaren hatte schweren Stand gegen den flüchtigen, schnellen Witz der kleinen Person, die ihn geschickt ins Leere laufen ließ, viel lachte, wobei sie ihre hurtige flinke Zunge zwischen den Lippen sehen ließ und sehr verführerisch aussah. Sie sprach trotz ihrer deutschrussischen Ausdrucksweise dreimal schlagender als er, war viel gescheiter. Machte sich lustig über den schweren Mann. Der Graf sah zu, ließ es geschehen, schmunzelte. Er hatte die Russin als Chansonette eines dunklen Kellerlokals in Berlin aufgefischt. Das mit der Tänzerin war nur Reklame, sie war mit allen Wassern gewaschen, ließ sich nicht für dumm verkaufen, und von so einem wie diesem Königlich-Sächsischen Schauspieler schon gar nicht. Er, Graf Hardenberg, hatte sie auf Drängen seines Freundes Kreis überredet, heute vor der kleinen Gästerunde zu tanzen. Er wusste selbst nicht, wie das ausgehen würde, war amüsiert, ließ sie sich erproben, lächelte jetzt über die Unbeholfenheit Kumpfmüllers.
    Ein paar der Umsitzenden, Mühlberg und der Maler Unger, hörten dem ungeschickt agierenden Schauspieler zu, lachten schadenfroh, stießen sich an. Der nahm schließlich ein Gebiet, wo er sich besser auskannte, attackierte plötzlich den Maler Müller, rückte dem nationalen Pathos Müllers auf den Leib, bedrängte ihn an seiner wundesten Stelle. Während sich dann aber, Müller hatte sich uninteressiert, nicht kampfbereit gezeigt, Kumpfmüller wieder der flinken Russin zuwandte, auf einmal stark rauchend, wandte sich der Kaufmann und Fabrikant Mühlberg, jovial, freundlich Hans Unger zu, der in seinem Bauernfrack allmählich, vielleicht vom Sekt angeregt, auftaute. Ob er nicht in einem seiner Kaufhäuser Lust auf eine exklusive Ausstellung habe. Betuchte Kunden kämen, wären in weicher, günstiger Stimmung, immer auch geneigt, ein Bild, passend zum Abendkleid der Gattin, zu erwerben. Mühlberg sprach locker, leicht, gewinnend, lachte ab und zu. Unger, sonst unzugänglich, fand die Idee gar nicht schlecht. Man stieß darauf an. Der Sekt war gut, der kleine Imbiss auserlesen. Vielleicht würde der Abend doch noch angenehm …
    Auf einmal, ohne eine Vorankündigung, wurde es dunkel im Persischen Salon. Nur ein paar Fackeln, die man herbeigebracht hatte, erleuchteten die Mitte des Raumes.
    Die Russin war für den Moment verschwunden. Sie musste sich umkleiden.
    Jetzt, nach ein paar Sekunden, tauchte sie wieder auf. Eine arabische Melodie, stilgerecht für die Lokalität, erklang dünn und zittrig aus einem Abspielapparat, den im Halbdunkel der Gastgeber selber bediente. Der Auftritt der Andrejewna begann. Ihr

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