Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
alles! Ich hab eine Zusage für mein Praktikum bekommen; Chef nimmt mich zehn Tage im Juni. Er hat gesagt, wenn er mit meiner Arbeit zufrieden ist, würde er mich sogar dafür bezahlen!«
»Das ist schön, Liebes«, sagte Joséphine. »Und das hast du ganz allein geschafft!«
»Blieb mir ja auch nichts anderes übrig! Sind die Nudeln endlich fertig? Ich hab heute Abend noch jede Menge zu tun.«
Joséphine goss die Nudeln ab und verteilte sie gerecht auf die Teller. Sie würde darauf achten müssen, niemanden vor den Kopf zu stoßen.
Sie aßen schweigend. Hortense nahm sich geriebenen Käse, ohne den anderen etwas davon anzubieten. Joséphine runzelte die Stirn und sah sie missbilligend an.
»Es ist noch jede Menge im Kühlschrank. Das ist doch wohl kein Drama. Die können auch selbst aufstehen und sich welchen holen.«
Joséphine fragte sich, ob es nicht ein großer Fehler gewesen war, die Barthillets bei sich aufzunehmen.
Dr. Troussard erwartete sie um fünfzehn Uhr. Sie kamen schon um vierzehn Uhr dreißig, herausgeputzt wie zu einem Sonntagsbesuch, und setzten sich ins Wartezimmer der luxuriösen Praxis in der Avenue Kléber. Dr. Troussard war Experte für Empfängnisprobleme. Marcel hatte seinen Namen von einem seiner Filialleiter. »Aber Vorsicht, Marcel«, hatte der Mann gesagt, »wir haben gleich drei auf einmal bekommen. Wir waren völlig erledigt! Es hätte nicht viel gefehlt, und wir hätten drei Waisenkinder zurückgelassen!«
»Drei, vier, fünf, ich nehme alles«, hatte Marcel erwidert. Der Filialleiter hatte überrascht gewirkt.
»Sie wollen selbst zu ihm?«, hatte er neugierig gefragt.
»Nein, nein«, hatte Marcel sich korrigiert. »Es geht um meine Großnichte, sie wünscht sich unbedingt ein Kind, und es macht mich ganz fertig zu sehen, wie sie immer mehr verkümmert! Ich hab sie großgezogen, sie ist für mich wie eine Tochter, verstehen Sie …«
»Ach so«, hatte sein Gegenüber lachend erwidert, »das hört sich schon besser an. Einen Moment lang hatte ich gedacht, Sie wollten selbst eins! Aber ab einem gewissen Alter sollte man doch lieber fernsehen, statt Babys zu wickeln, was?«
Mit einem verschlagenen Lächeln hatte Marcel sich abgewandt. Der gute Mann hat nicht unrecht, ich bin wirklich ’n bisschen spät dran, um noch Wiegenlieder zu singen! Und Josiane ist auch nicht mehr die Jüngste. Hoffentlich kriegen wir nicht so ’n verkrüppeltes Würmchen! So ’nen kümmerlichen Wicht. O nein, ich seh dieses Kind schon genau vor mir! Ein bärenstarker Kerl wird das, aber im feinsten Zwirn. Der bekommt alles, was er braucht, Vitamine, frische Luft, Reitstunden und die besten Unis, das geb ich dir schriftlich!
Dr. Troussard hatte sie einige Tests machen lassen – eine ganze Seite, eng beschrieben! – und erwartete sie, »um die Ergebnisse zu besprechen«. Nun saßen sie zitternd im Wartezimmer. Eingeschüchtert von den Sofas, den modernen Sesseln, den schweren Vorhängen und dem Teppich, der ihre Knöchel umspielte.
»Guck dir mal die Vorhänge an, wie in ’nem Luxuspuff!«
»Der Doktor ist bestimmt nicht billig«, flüsterte Josiane. »Die haben hier viel zu viel Geld reingesteckt, das riecht nach Quacksalber.«
»Nicht doch! Mein Filialleiter hat gesagt, er wär ’n bisschen steif, nicht der Typ, der dir gleich um den Hals fällt. Aber er soll richtig gut sein.«
»O Marcel, ich hab Angst! Fühl mal meine Hände, sie sind eiskalt.«
»Nimm dir ’ne Zeitschrift, das lenkt ab …«
Marcel nahm zwei Zeitschriften und gab eine davon Josiane, doch sie stieß sie zurück.
»Ich bin viel zu aufgeregt, um was zu lesen.«
»Lies, Choupette, lies.«
Um mit gutem Beispiel voranzugehen, vertiefte er sich in sein Magazin. Schlug aufs Geratewohl eine Seite auf und las: »Schon seit Längerem ist bekannt, dass bei vierzigjährigen Frauen das Risiko einer Fehlgeburt dreimal höher ist als bei Fünfundzwanzigjährigen. Eine französisch-amerikanische Studie hat jedoch kürzlich ergeben, dass das Alter des Vaters ebenfalls eine Rolle spielt. Denn auch die Qualität der Spermien sinkt mit zunehmenden Alter: Sie verlieren
ihre Beweglichkeit und enthalten mehr chromosomale oder genetische Anomalien, die zu einer Fehlgeburt führen können. Den Ergebnissen dieser Studie zufolge soll sich das Risiko einer Fehlgeburt um dreißig Prozent erhöhen, wenn der zukünftige Vater älter als fünfunddreißig ist, und − unabhängig vom Alter der Mutter − mit zunehmendem Alter des Vaters
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