Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
und einem schlichten weißen T-Shirt umgedreht. Eine bescheiden wirkende, aber schöne Frau, die lächelnd im Schatten des Riesen stand.
»Elisa … my wife« , hatte er gesagt, eine Hand auf die Schulter seiner Frau gelegt und sie Iris vorgestellt.
»How are you? Nice to meet you« , hatte Elisa gesagt und grüßend den Kopf geneigt. Wie betäubt hatte Iris sie mit großen Augen angestarrt. »Du … Du … bist verheiratet?«, hatte sie den Riesen mit leiser, zittriger Stimme gefragt. Gabor hatte laut gelacht und geantwortet: »Yes and I have three kids!« Dann hatte er Iris losgelassen, wie man einen Gegenstand zurückstellt, der für einen Augenblick das Interesse geweckt hat, hatte seine Frau gepackt und sie auf den Stuhl neben sich gezogen. Andere Leute waren auf ihn zugekommen, er war wieder aufgestanden und hatte sie alle mit der gleichen Begeisterung, der gleichen Herzlichkeit umarmt. Hey, Jack! Hey, Terry! Hey, Roberta! Er hatte sie in die Arme genommen, hatte sie hochgehoben, hatte jedem das Gefühl gegeben, der einzige Mensch auf der Welt zu sein. Dann hatte er sich zu seiner Frau umgedreht, ihr die Gratulanten vorgestellt und darauf geachtet, dass sie immer dicht neben ihm blieb. Welche Großzügigkeit! Welche Kraft!, hatte Philippe unwillkürlich gedacht. Er ist wie seine Filme: unangepasst und mitreißend. Er ist wie ein Scheinwerfer. Durch seine aufrichtige, kraftvolle, großzügige Begeisterung taucht er die Menschen ins grelle Licht, und wenn er den Blick abwendet, stürzt man zurück in die Dunkelheit. Er scheint einem alles zu geben, doch im nächsten Moment wandert seine Aufmerksamkeit weiter, er schenkt alles einem anderen und lässt einen in schmerzhafter Einsamkeit zurück.
Iris hatte sich wieder hingesetzt. Sie hatte kein Wort mehr gesprochen.
Und nun lag sie in der First-Class-Kabine der Air-France-Maschine und schlief. Oder gab vor zu schlafen. Das wird eine harte Rückkehr, dachte Philippe.
John Goodfellow hatte eine Meisterleistung vollbracht. Er war es, der Gabor Minar auf Schritt und Tritt gefolgt war, er hatte Gabors Produzenten überzeugt, ihn nach New York zu holen, und er hatte sich vergewissert, dass Gabor beim Dinner im Waldorf anwesend sein würde. Es war nicht leicht gewesen, diese Begegnung herbeizuführen. Fast zwei Jahre hatten sie dafür gebraucht. Dreimal war es schiefgegangen: in Cannes, in Deauville und in Los Angeles. Der Mann
war sprunghaft. Er versprach zu kommen, doch dann änderte er in letzter Sekunde seine Pläne und flog anderswohin. John hatte dem Produzenten und seinem Schützling ein Treffen mit dem obersten Chef eines amerikanischen Filmstudios in Aussicht stellen müssen, um sicherzugehen, dass er auch kommen würde. Dann hatte er den Amerikaner davon überzeugen müssen, nach New York zu fliegen, hatte ihm mit dem Versprechen den Mund wässrig machen müssen, dass Gabor Minar bei seinem nächsten Film Regie führen würde. Ein sorgfältig konstruiertes Lügengebäude, errichtet mit Hilfe sorgfältig ausgewählter Mittelsmänner. Ein schwankendes Lügengebäude. Bis zur letzten Minute hätte der Vogel noch davonfliegen können.
Als sie sich am späten Sonntagvormittag in der Bar des Waldorf getroffen hatten, hatte Philippe ihm zu seiner Arbeit gratuliert.
»Good job, John!«
»Ich habe noch nie einen Mann erlebt, der so schwer festzunageln war!«, hatte John erwidert. »Und ich habe schon einiges erlebt. Aber der! Ständig wechselt er den Aufenthaltsort. Haben Sie seine Frau gesehen? Hübsch, nicht wahr? Manchmal tut sie mir leid, sie wirkt erschöpft. Ich habe mich auch an sie gewandt. Ich glaube, sie wünscht sich, er würde endlich sesshaft werden. Sie ist eine kluge Frau, sie hat verstanden, wie er tickt, und folgt ihm überallhin. Immer im Schatten. Kein Foto von ihr oder ihren Kindern in der Presse. Die wenigsten wissen überhaupt, dass er verheiratet ist! Unter seiner bohemienhaften Schale ist dieser Mann absolut treu. Er ist besessen von seiner Arbeit und flirtet nicht herum. Höchstens ein, zwei Kleinigkeiten mit einem Scriptgirl oder einer Maskenbildnerin, wenn er abends zu viel getrunken hat. Aber nie etwas Ernstes, nichts, was seiner Frau gefährlich werden könnte. Er hat grenzenlosen Respekt vor ihr. Er liebt sie. Sie ist seine Stütze. In ihr hat er sein Alter Ego gefunden, und es wird Sie vielleicht überraschen, aber ich glaube, im Grunde seines Herzens ist dieser Mann ein Romantiker. Ich vermute, anfangs war sie genau wie er, aber
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