Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
Krokodile sind gemein …«
»Dich haben sie diesen Sommer doch auch nicht gefressen«, versetzte Hortense gereizt.
»Nein, aber ich habe ja auch immer sehr gut aufgepasst.«
»Stell dir vor, Papa passt auch immer sehr gut auf.«
»Manchmal ist er aber zerstreut. Dann steht er einfach nur da und schaut ihnen ganz lange in die Augen … Er sagt, er lernt, ihre Gedanken zu lesen …«
»So ein Quatsch!«
Hortense drehte sich zu Gary um und fragte ihn, ob er sich nicht etwas Taschengeld dazuverdienen wolle, indem er bei einer Modenschau mitlaufe.
»Bei Dior suchen sie große, gut aussehende, romantische Jungen, um ihre Kollektion vorzuführen.«
Iris hatte sie gefragt, ob nicht einer ihrer Freunde Lust dazu hätte.
»Sie hat mich auf dich angesprochen … Weißt du noch, wie wir sie in den Pin Up Studios besucht haben? Sie fand dich sehr attraktiv…«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass mir das Spaß machen würde«, sagte Gary. »Ich will nicht, dass man mir in den Haaren rumfummelt oder mir irgendwelche Klamotten anzieht.«
»Ach, komm schon, das wäre bestimmt lustig. Ich würde auch mitgehen.«
»Nein, danke, Hortense. Aber die Fotosession mit Iris fand ich gut. Fotograf zu werden, das könnte mir gefallen.«
»Wenn du willst, fahren wir noch mal hin. Ich frag sie einfach …«
Sie hatten zu Ende gegessen. Joséphine räumte den Tisch ab, Gary stellte das Geschirr in die Spülmaschine, und Hortense wischte mit einem Schwamm über den Tisch, während Zoé mit Tränen in den Augen jammerte: »Ich will meinen Papa, ich will meinen Papa.« Joséphine nahm sie in die Arme, trug sie zu ihrem Bett und klagte dabei zum Schein, dass sie so groß, so schwer, so schön sei, dass es ihr vorkomme, als hielte sie einen Stern in den Armen.
»Findest du mich wirklich schön, Maman?«, fragte Zoé und rieb sich die Augen.
»Natürlich, mein Liebling, manchmal schaue ich dich an und frage mich: Wer ist bloß dieses schöne junge Mädchen, das hier wohnt?«
»Genauso schön wie Hortense?«
»Genauso schön wie Hortense. Genauso schick wie Hortense, genauso toll wie Hortense. Der einzige Unterschied ist, dass Hortense es weiß und du nicht. Du hältst dich für ein hässliches kleines Entchen. Habe ich recht?«
»Es ist so schwer, klein zu sein, wenn man eine große Schwester hat …«
Sie seufzte, legte eine Wange aufs Kissen und schloss die Augen.
»Maman, kann ich das Zähneputzen heute Abend ausfallen lassen?«
»Na gut, aber nur ausnahmsweise …«
»Ich bin so müde …«
Am nächsten Morgen klopfte Shirley kurz vor Mittag an Joséphines Tür.
»Ich habe es geschafft, ihn loszuwerden. Es war nicht leicht, aber jetzt ist er weg. Ich habe ihm gesagt, dass er nie wieder herkommen darf, weil ein Typ vom Geheimdienst im Haus wohnt …«
»Und das hat er geglaubt?«
»Ich denke schon. Joséphine, ich habe heute Nacht eine Entscheidung getroffen. Ich gehe weg von hier … Es ist jetzt Ende November, er wird nicht sofort wiederkommen, aber ich muss weg … Ich fliege nach Mustique, da bin ich sicher.«
»Mustique? Die Milliardärsinsel? Wo Mick Jagger und Prinzessin Margaret Villen besitzen?«
»Ja. Ich habe ein Haus dort … Nach Mustique wird er nicht kommen. Ich weiß noch nicht, was ich danach machen werde, aber hier kann ich nicht wohnen bleiben.«
»Du willst umziehen? Du willst mich hier allein lassen?«
»Du wolltest doch auch wegziehen, weißt du nicht mehr?«
»Nicht ich. Hortense …«
»Weißt du, was wir machen? Wir fliegen alle zusammen in den Weihnachtsferien nach Mustique, und ich bleibe dort. Gary kommt mit dir zurück, damit er das Schuljahr beenden und sein Abitur machen kann. Es wäre idiotisch, wenn er jetzt die Schule wechseln müsste, er ist so kurz vor dem Ziel. Kannst du ihn so lange bei dir behalten?«
Joséphine nickte.
»Ich würde alles für dich tun …«
Shirley nahm ihre Hand und drückte sie.
»Alles andere werde ich später entscheiden … Wir müssen wieder umziehen. Aber das bin ich gewohnt …«
»Willst du mir immer noch nicht sagen, was eigentlich los ist?«
»Ich erzähle es dir an Weihnachten, auf Mustique … Dort werde ich mich sicherer fühlen.«
»Du bist doch hoffentlich nicht in Gefahr?«
Shirley lächelte ein trauriges, müdes Lächeln.
»Im Moment nicht, nein.«
Marcel Grobz rieb sich die Hände. Alles lief wie geschmiert. Mit dem Kauf der Firma der Gebrüder Zang hatte er sein Imperium vergrößert und die Deutschen,
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