Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
das Schlimmste, was man sich nur denken kann. Nichts wird sie jemals zufriedenstellen können. Sie träumt von einem anderen Leben, sie träumt davon, etwas zu erschaffen, aber du weißt ja selbst, dass es nicht reicht, so etwas einfach nur zu wollen, man muss es auch tun. Als ich sie zum ersten Mal davon reden hörte, dass sie einen Roman schreibt, habe ich mir gleich gedacht, dass da etwas nicht stimmen kann. Und als ich dann erfuhr, dass ihr Roman im zwölften Jahrhundert spielt, wusste ich, es würde wieder Probleme geben …«
»Sie hat bei einem Abendessen einen Verleger getroffen und vor ihm so getan, als würde sie schreiben. Er versprach ihr einen Vertrag, wenn sie ein konkretes Projekt hätte, und so kam sie plötzlich aus ihrer eigenen Lüge nicht mehr heraus. Ich steckte damals in finanziellen Schwierigkeiten, weil Antoine mich mit einem Berg Schulden allein gelassen hatte. Mir stand das Wasser bis zum Hals, und wahrscheinlich hatte ich auch schon länger Lust zu schreiben, hatte aber nie den Mut dazu, also habe ich Ja gesagt …«
»Und stecktest plötzlich in einer Geschichte, die du nicht mehr unter Kontrolle hattest …«
»Aber jetzt will ich dem ein Ende machen. Sie hat mich angefleht, ein zweites Buch zu schreiben, aber das will ich nicht, ich kann nicht …«
Schweigend sahen sie einander an. Philippe spielte mit seinem silbernen Kugelschreiber. Mit der Spitze der Kappe klopfte er rhythmisch auf den Schreibtisch. Ein dumpfes, regelmäßiges Geräusch, das ihre Gedanken begleitete.
»Da gibt es noch ein anderes Problem, Philippe …«
Er hob den Kopf und sah sie mit ernstem, traurigem Blick an. Das Hämmern des Stifts verstummte. Die Sekretärin klopfte an die Tür und stellte den Kaffee auf den Schreibtisch. Philippe reichte Joséphine eine Tasse, dann den Zucker. Sie nahm ein Stück, legte es sich auf die Zunge und trank ihren Kaffee. Philippe beobachtete sie gerührt.
»Papa hat das auch immer so gemacht«, sagte sie, nachdem sie die Tasse wieder abgestellt hatte. »Da gibt es noch etwas, worüber ich mit dir reden muss«, fuhr sie fort. »Das ist mir sehr wichtig.«
»Was denn, Jo?«
»Ich will nicht, dass du die Steuern für das Buch bezahlst. Anscheinend werde ich damit viel Geld verdienen, das hat Iris zumindest gesagt. Sie hat auch gesagt, dass du die Steuern ruhig bezahlen könntest, du würdest es nicht einmal merken, aber das kommt überhaupt nicht infrage, das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren …«
Er lächelte sie an, und sein Blick wurde sanfter.
»Du bist süß …«
Dann richtete er sich auf und begann erneut mit dem Stift auf die Tischplatte zu klopfen.
»Aber weißt du, Jo, im Grunde hat sie recht … Nach dem Lang-Gesetz werden die Einkünfte von Schriftstellern auf fünf Jahre verteilt, und wahrscheinlich wird es für mich kaum einen Unterschied machen. Ich bezahle ohnehin so viel Steuern, das ist dann auch egal!«
»Aber ich will das nicht.«
»Es ist schön, dass du so denkst«, sagte er nach kurzem Nachdenken, »und du sollst wissen, dass ich dich dafür respektiere. Aber … was
wäre denn die Alternative, Jo? Dass du deine Tantiemen selbst versteuerst? Unter deinem eigenen Namen? Dass man dir einen Scheck ausstellt und ihn auf dein Konto überweist? Dann wird jeder wissen, dass du das Buch geschrieben hast, und glaub mir, Jo, eine öffentliche Demütigung würde Iris nicht überleben. Es könnte sie zu einer furchtbaren Dummheit treiben.«
»Glaubst du das wirklich?«
Er nickte.
»Und das willst du doch nicht, Jo?«
»Nein. Das will ich ganz bestimmt nicht …«
Sie hörte das rhythmische Klopfen des Kugelschreibers auf der lackierten Schreibtischplatte, klopf, klopf, klopf.
»Ich würde ihr gerne helfen … Aber das geht über meine Kräfte. Selbst wenn sie meine Schwester ist…«
Sie sah Philippe in die Augen und wiederholte: »Selbst wenn sie meine Schwester ist … Ich bin ihr ja dankbar. Ohne sie hätte ich niemals ein Buch geschrieben. Diese Erfahrung hat mich verändert, ich bin nicht mehr dieselbe wie früher. Und ich möchte weiterschreiben. Ich weiß, dass sich das nächste Buch nicht so gut verkaufen wird wie Die demütige Königin , weil ich nicht alles tun werde, was Iris getan hat, um das Buch so bekannt zu machen, aber das ist mir egal … Ich will für mich schreiben, weil es mir Spaß macht. Wenn es funktioniert, umso besser, wenn nicht, dann eben nicht.«
»Du bist ein richtiges Arbeitstier, Jo. Wer hat
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