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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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dazu, seinen Traum zu Ende zu träumen. Mylène strampelte mit den Beinen und schleuderte das gesamte Bettzeug zu Boden. Sein Blick suchte den Wecker: Es war halb sechs!
    Der Wecker klingelte jeden Morgen um sechs, und pünktlich um sieben ertönte die Trillerpfeife von Mister Lee, der die Arbeiter in Reih und Glied antreten ließ. Bis fünfzehn Uhr würden sie schuften. Ohne Pause. Auf der Krokodilfarm wurde ununterbrochen gearbeitet; die hundertzwölf Arbeiter waren nach den guten alten Taylor’schen Prinzipien in drei Schichten aufgeteilt. Jedes Mal, wenn Antoine Mister Lee aufforderte, Pausen in den Arbeitsplan der Männer aufzunehmen, hörte er als Antwort: » But, sir, Mister Taylor said  …«, und er wusste, dass es sinnlos war, darüber zu diskutieren. Trotz der Hitze, der Feuchtigkeit und der schweren körperlichen Arbeit würden die Arbeiter ihren Rhythmus nicht ändern. Die Hälfte von ihnen war verheiratet. Sie waren in Lehmhütten untergebracht. Zwei Wochen Urlaub im Jahr, nicht einen Tag mehr, keine Gewerkschaft, die ihre Interessen vertrat, siebzig Stunden Arbeit pro Woche und hundert Euro Monatslohn zuzüglich Kost und Logis. »Good salary, Mister Cortès, good salary. People are happy here! Very happy! They come from all China to work here! You don’t change the organization, very bad idea!«
    Antoine hatte nichts darauf erwidert.
    Und so stand er jeden Morgen auf, duschte, rasierte sich, zog sich an und ging hinunter, um das Frühstück zu essen, das Pong, sein Boy,
für ihn zubereitet hatte. Um ihm eine Freude zu machen, hatte Pong ein paar Brocken Französisch gelernt und begrüßte ihn jedem Morgen mit einem »Gut geslafen, Mister Tonio, gut geslafen? Breakfast is ready! « Mylène schlief währenddessen unter ihrem Moskitonetz noch einmal ein. Um sieben Uhr stand Antoine an der Seite von Mister Lee vor den Arbeitern, die in Habachtstellung das Blatt mit ihren Aufgaben für diesen Tag entgegennahmen. Steif wie Räucherstäbchen, die kurzen Hosen um ihre streichholzdünnen Beine schlackernd, ein unauslöschliches Lächeln im Gesicht, das Kinn gen Himmel gereckt und eine einzige Antwort auf den Lippen: »Yes, sir.«
    An diesem Morgen jedoch sollten die Dinge nicht so ablaufen wie sonst. Antoine bemühte sich, richtig wach zu werden.
    »Was ist denn los, Schatz? Hattest du einen Albtraum?«
    »Antoine … Da, sieh nur … Das ist kein Traum! Es hat meine Hand geleckt.«
    Es gab weder Hunde noch Katzen auf der Farm: Die Chinesen konnten sie nicht leiden und warfen sie den Krokodilen zum Fraß vor. Mylène hatte am Strand von Malindi ein entzückendes weißes Kätzchen mit zwei winzigen, spitzen schwarzen Ohren aufgelesen und mit nach Hause gebracht. Sie hatte es Milou getauft und ihm ein Halsband aus weißen Muscheln gekauft. Bald danach fand man das Halsband am Ufer eines Krokodilflusses. Mylène hatte vor Entsetzen aufgeschluchzt. »Antoine, das Kätzchen ist tot! Sie haben es gefressen.«
    »Schlaf weiter, Schatz, wir haben noch ein bisschen Zeit …«
    Mylène grub ihre Fingernägel in Antoines Nacken und zwang ihn, endlich aufzuwachen. Er riss sich zusammen, rieb sich die Augen, beugte sich über Mylènes Schulter und entdeckte auf dem Holzboden ein langes, fettes, glänzendes Krokodil, das ihn aus seinen gelben Augen anstarrte.
    »Oh«, sagte er und schluckte, »tatsächlich … Wir haben ein Problem. Beweg dich nicht, Mylène, halt ganz still! Das Krokodil greift an, wenn du dich bewegst. Wenn du ganz stillhältst, tut es dir nichts!«
    »Aber schau nur, es starrt uns an!«
    »Wenn wir uns nicht bewegen, sind wir vorerst noch seine Freunde.«
    Antoine musterte das Tier, das ihn aus schmalen gelblichen Schlitzen
fixierte. Er erschauerte. Mylène spürte die Bewegung und schüttelte ihn.
    »Antoine, es wird uns auffressen!«
    »Nein, wird es nicht …«, sagte Antoine, um sie zu beruhigen. »Ganz bestimmt nicht…«
    »Hast du seine Zähne gesehen?«, schrie Mylène.
    Das Krokodil sah sie an und gähnte, wobei es seine spitzen, kräftigen Zähne entblößte, dann setzte es sich schwankend in Bewegung und kroch auf das Bett zu.
    »Pong!«, schrie Antoine. »Pong, wo bist du?«
    Das Tier schnüffelte am weißen Laken, das auf den Boden hinabhing, packte es mit seinen Kiefern und begann zu ziehen, begann, am Laken zu ziehen und gleichzeitig Antoine und Mylène mitzureißen, die sich an den Stäben des Bettes festklammerten.
    »Pong!«, brüllte Antoine, der nun doch allmählich die Nerven

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