Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
Nahrung dienten, die Krokodilzucht, die sich in eigens dafür ausgestatteten Flussarmen von den Korallenriffen über mehrere hundert Hektar ins Landesinnere hinein erstreckte, die Konservenfabrik, wo das Krokodilfleisch in Dosen gefüllt wurde, und die Gerberei, in der die Krokodilhäute zerschnitten, gegerbt, präpariert, zusammengepackt und nach China geschickt wurden, wo man sie zu Reisetaschen, Koffern, Handtaschen, Ausweismappen und Portemonnaies mit den Markenzeichen der großen französischen, italienischen oder amerikanischen Lederwarenhersteller verarbeiten würde. Dieser Teil seines Geschäfts beunruhigte Antoine, denn er fürchtete internationale Strafen, falls herauskommen sollte, dass seine Farm der Ursprung dieses Handels mit gefälschter Ware war. Bei seinem Einstellungsgespräch hatte ihm der chinesische Besitzer, der aus Peking nach Paris gekommen war, um ihn kennenzulernen, diesen Teil seiner Aktivitäten verschwiegen. Yang Wei hatte vor allem die Zucht in den Vordergrund gestellt und die Produktion von Fleisch und Eiern, die unter besten finanziellen und hygienischen Bedingungen organisiert
werden müsse. Darüber hinaus hatte er gewisse »Nebentätigkeiten« erwähnt, ohne näher darauf einzugehen, und ihm eine prozentuale Beteiligung an allem versprochen, was »tot oder lebendig« die Farm verließ. »Dead or alive, Mister Cortès! Dead or alive.« Dabei hatte er ihn mit einem breiten Kannibalenlächeln angegrinst, das Antoine sagenhafte Profite verhieß. Erst vor Ort hatte Antoine festgestellt, dass er auch für die Gerberei verantwortlich war.
Doch da war es zu spät für Proteste: Er hatte sich auf dieses Wagnis eingelassen. Moralisch und finanziell.
Denn Antoine Cortès hatte sich Großes vorgenommen. Nach seiner enttäuschenden Erfahrung bei Gunman & Co. hatte er in den Croco Park investiert. Er hatte sich geschworen, nie wieder ein einfaches Rädchen im Getriebe zu sein, sondern ein Teilhaber, den man nicht einfach übergehen konnte. Und so hatte er zehn Prozent der Anteile gekauft. Dazu hatte er sich bei seiner Bank Geld geliehen. Er hatte Monsieur Faugeron beim Crédit Commercial aufgesucht, ihm den Geschäftsplan des Croco Park und eine Ertragsprognose für die nächsten ein, zwei und fünf Jahre vorgelegt und einen Kredit über zweihunderttausend Euro beantragt. Monsieur Faugeron hatte gezögert, aber er kannte Antoine und Joséphine und war davon ausgegangen, dass hinter diesem Darlehen das Vermögen von Marcel Grobz und das Ansehen von Philippe Dupin standen. Und so hatte er den Kredit bewilligt. Die erste Rate war am 15. Oktober fällig geworden. Doch Antoine hatte nicht zahlen können, da sein Gehalt noch nicht eingetroffen war. Verwaltungstechnische Probleme, hatte Yang Wei erklärt, als er ihn nach mehreren vergeblichen Versuchen endlich ans Telefon bekommen hatte, es könne nicht mehr lange dauern, und vergessen Sie nicht, wenn die Quartalszahlen gut sind, bekommen Sie Weihnachten zusätzlich einen üppigen Bonus für die ersten drei Monate harter Arbeit! » You will be Superman! Denn Sie Franzosen viele Ideen haben, und wir Chinesen viele Möglichkeiten, um sie umzusetzen!« Dann hatte Mister Wei laut gelacht. »Ich zahle die drei ersten Raten auf einen Schlag«, hatte Antoine Monsieur Faugeron versprochen, »spätestens am 15. Dezember!« Er hatte der Stimme des Bankangestellten angemerkt, dass dieser nervös wurde, und so hatte er ihn in enthusiastischem Ton zu beruhigen versucht. »Machen Sie sich
keine Sorgen, Monsieur Faugeron, das hier ist Big Business! Chinas Wirtschaft wächst rasant. Das ist das Land, mit dem es Geschäfte zu machen gilt. Ich unterschreibe hier Wechsel, die Ihren Mitarbeitern den Schweiß auf die Stirn treiben würden! Jeden Tag gehen Millionen von Dollar über meinen Schreibtisch!«
»Ich hoffe für Sie, dass es sauberes Geld ist, Monsieur Cortès«, hatte Faugeron geantwortet.
Antoine hätte am liebsten wortlos aufgelegt.
Trotzdem erwachte er jeden Morgen mit der gleichen Angst, und Faugerons Worte hallten in seinem Kopf wider: »Ich hoffe für Sie, dass es sauberes Geld ist, Monsieur Cortès.« Jeden Morgen sah er in der Post nach, ob sein Gehaltsscheck endlich gekommen war …
Er hatte die Mädchen nicht angelogen: Er war verantwortlich für siebzigtausend Krokodile! Die größten Raubtiere der Erde. Reptilien, die seit Millionen von Jahren an der Spitze der Nahrungskette stehen. Die aus prähistorischen Zeiten stammen und mit den
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