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Die gelehrige Schuelerin

Die gelehrige Schuelerin

Titel: Die gelehrige Schuelerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ira Miller
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Dann warteten wir, dass der Wagen aufgetankt wurde.
    »Lass mich fahren«, sagte Annie mit erneuter Fröhlichkeit. »Hast du einen Führerschein? Weißt du, wie die Gangschaltung funktioniert?«
    »Ob ich weiß, wie die Gangschaltung funktioniert? Ich bin die Janet Guthrie von Dillistown.«
    Der Motor spuckte, wurde zweimal abgewürgt, kam aber in den ersten Gang, dann in den zweiten, dritten, vierten und lief im fünften endlich ruhig.
    »Welche Janet sagtest du?«
    Wir fuhren lange durch eine flache Landschaft, später durch sanfte Hügel, und ganz plötzlich baute sich vor uns das Gebirge auf – riesig groß wie im Traum, ein tibetanisches Wunder, als die Wolken sich teilten. Da wir noch mehr als hundert Meilen davon entfernt waren, konnten wir schwach die Gipfel erkennen. Als die Sonne ganz unterging, wechselte das helle Weiß der Hänge in schattiges Rotorange über. Schließlich quälten wir uns den Mount Royal hoch – der Motor heulte im zweiten Gang unter der Überbeanspruchung auf – und krochen an riesigen Schneewehen zu beiden Seiten der Straße vorbei.
    Im Hotel trug ich uns als
Mr. und Mrs.
ein. Annie wartete draußen im Wagen. Diesmal war ich viel entspannter, konnte mich sogar nach Skiabhängen und Stellen erkundigen, an denen man eine Ausrüstung mieten konnte. Als wir am Strand gestanden hatten, hätte ich Annie höchstens auf siebzehn geschätzt. Aber heute konnte ich in ihrem Gesicht schon die aufgehende Schönheit einer Zwanzigjährigen entdecken.
    Wir gingen essen. Ganz in der Nähe gab es eins der üblichen, nett eingerichteten Touristenrestaurants. Gedämpftes Licht schuf eine romantische Atmosphäre. Die Wände waren holzgetäfelt und mit eingerahmten Bildern und Drucken geschmückt. Vor einem offenen Kamin stand ein ausladendes Ledersofa mit einer Unmenge von Kissen bestückt. Einige Leute saßen mit ihrem Kaffee oder Verdauungsschnaps vor dem Feuer.
    »Zwei Plätze, bitte«, sagte ich zu der Empfangsdame, die uns durch eine Gruppe von kleinen runden Tischen führte, an denen hauptsächlich Paare saßen. Ich war sehr hungrig.
    Annie bestellte Curryhuhn, und ich ein
bœuf bourguignon.
Wir aßen mit Appetit und wischten die Sauce mit warmem, französischem Weißbrot auf. Annie erzählte mir Schülerklatsch. Wir lachten. Dabei warf sie oft den Kopf zurück. Das Licht vom Kaminfeuer warf kleine Reflexe in ihre Augen. Der Raum schrumpfte zusammen. Wir schienen allein zu sein.
    »Ich kann es gar nicht erwarten, mit dir zusammen zu duschen«, sagte Annie.
    »Warum?«, fragte ich, hungrig nach Worten, dass sie mich bräuchte.
    »Weil wir dann beide ganz glitschig werden. Vielleicht sollten wir lieber ein Schaumbad nehmen. Ich habe meine Gummiente mitgebracht.«
    »Fuck the duck.«
    »Fick mich.«
    »Ja.«
    »In der Dusche?«
    »Überall.«
    »Wie?«
    »Stürmisch.«
    »Wie lange?«
    »Für immer.«
    »Wie gut?«
    »Am besten.«
    »Wie groß?«
    »Sehr.«
    Wir kicherten und prosteten uns mit den Wassergläsern zu. Dann tranken wir, ohne ein weiteres Wort zu sagen, starrten einfach vor uns hin. Ich spielte Anthony Quinn – Glas in der Hand, den anderen, gebräunten Arm um eine dunkelhaarige Schönheit geschlungen, das Glas wechselnd und um die Frau herum daran nippend – aber das hier war ja real. Dieser Augenblick war ein ganz besonderer.
    Ich stand auf, um auf die Toilette zu gehen. Immer noch in Annies Gesicht blickend, schob ich den Stuhl weit zurück und stieß ihn meinem Nachbarn hinter mir in den Rücken, dessen Anwesenheit ich total vergessen hatte. »He!«, hörte ich und drehte mich schnell zu ihm um. Mein Arm streifte dabei den Kopf eines grobschlächtigen Mannes.
    Einen Augenblick der Verwirrung, bevor ich überhaupt etwas sagen konnte, und dann türmte dieser Kerl sich vor mir auf – wilder, fließender Bart, stechende, dunkle Augen und eine rote Preisboxernase –, griff mit einer Hand nach meinem Hemdkragen und holte mit der anderen weit aus, bereit, mir einen Kinnhaken zu verpassen.
    »Sie ungehobelter, unhöflicher Sohn einer heruntergekommenen Hure!«, sagte er.
    »Ruhig Blut!«, gab ich zurück. »Ich hatte nicht gewusst, dass Sie da sitzen.«
    »Und ein gottverdammter Feigling dazu!«
    Im Restaurant war es still geworden. Hinter mir spürte ich eine Bewegung, aber ich konnte mich nur auf diese rote Nase konzentrieren. Sein breites Grinsen und die riesigen Handknöchel flößten mir Respekt ein. Ich spürte, dass die Menge uns beobachtete. (Wartete sie auf die zweite Runde?)

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