Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
Eurem Körper verteilte.“ Itosu kehrte kurz aus
den Bildern seiner Erzählung zurück und sah sie an. „Lediglich Eure Füße
schienen rettungslos verloren.“ Er fuhr mit seiner Erzählung fort. „Ich begann,
Fußwickel zu machen…“
Itosus Großmutter hatte ihn auch in ihr Wissen
über Heilkräuter eingeweiht, und er wählte unter anderem Beifuß, den er –
zusammen mit anderen Kräutern – zu einem Brei zerstieß und auf die Füße der
Frau strich. Des Nachts, wenn er schlief, wirkte der Sud ein, und am Tag legte
er in regelmäßigen Abständen seine Hand auf und setzte die Nadeln an Schädel,
Knie und Knöchel. Bei der jungen Frau ließ eine Verbesserung nicht lange auf
sich warten. In den Wochen, in denen sie im Delirium lag, hellten sich die Füße
von einem dunklen Lila zu einem kräftigen Rot auf. Die Hitze verschwand, doch
die Füße schienen gefühllos zu bleiben. Itosu wusste nicht, ob sie die Füße je
wieder würde benutzen können, doch er hatte gelernt, für alles offen zu sein.
Wenn die junge Frau gehen wollte, würde sie einen Weg finden, das zu tun.
Doch im Moment war daran noch nicht zu denken. Er
war froh gewesen, als sie endlich erwachte, und nun saß sie vor ihm und
schlürfte ihre Suppe.
***
„In ein paar Tagen werden wir beginnen, Euch feste
Nahrung zu geben und schon bald werdet Ihr wieder normal essen können.“ Itosu
lächelte mich an.
„Ich danke Euch für alles, was Ihr für mich getan
habt. Ich weiß nicht, wie ich das wieder gut machen kann.“
„Nun, ich wäre schon glücklich, wenn ich wüsste, wen ich hier pflege.“
Misstrauisch überlegte ich, ob ich ihm sagen
konnte, wer ich war.
Itosu merkte, dass ich mich in einem Zwiespalt
befand. Er kam mir entgegen und sagte: „Wenn Ihr Euch nicht an Euren Namen
erinnern könnt, dann nennen wir Euch fürs erste ‚Shao-Ma‘ – Mutter des Shao .
Einverstanden?“
Für diesen Vorschlag war ich sehr dankbar. Es schmerzte
mich, an Shao erinnert zu werden, aber mir blieb der Trost, seine Mutter zu
sein, wo auch immer er sich aufhielt.
„Einverstanden“, sagte ich und leerte meine
Schale.
Am nächsten Tag wurde wieder der Verband gewechselt.
Ich beobachtete den alten Mann, wie er das alte Tuch des rechten Fußes
abwickelte und in eine Schale zu seiner Rechten warf. Wenn ich es nicht mit
eigenen Augen gesehen hätte, hätte ich nicht gemerkt, dass jemand meine Füße
berührte. Noch immer spürte ich lediglich Berührungen oberhalb des Knöchels.
Itosu rieb seine Handflächen schnell aneinander,
nahm anschließend trockene Lappen, die zu seiner Linken lagen, tauchte sie in
die daneben stehende Schale mit einem grünen Brei und legte sie auf meine Füße.
Verängstigt wandte ich den Blick ab. Im
Blickwinkel sah ich, wie er vorsichtig Tücher um den Fuß wickelte.
Dann wechselte er auch am linken Fuß den Verband,
und als er damit fertig war, sah er mich aufmerksam an. „Es wird noch einige
Zeit dauern, bis das geheilt ist“, sagte er, „doch wenn Ihr es wollt, werdet
Ihr wieder laufen können.“ Er lächelte. „Wenn Ihr es wollt“, wiederholte er geheimnisvoll.
Schon bald war es mir zu langweilig, alleine im
Raum auf meiner Schlafstelle zu liegen. Nebenan hörte ich Itosu arbeiten. Er
hatte mir erzählt, dass er Stoffe webte und das kontinuierliche Klopfen, das
beim Zusammendrücken der Fadenreihen entstand, ließ vermuten, dass er große
Routine darin hatte. Ich war es nicht gewohnt, ruhig zu liegen und war
schließlich so neugierig und voller Bewegungsdrang, dass ich mich aufsetzte.
Mein Blick fiel auf meine Füße, besser gesagt, auf das, was einmal meine Füße
gewesen waren. Dick eingewickelt sahen sie aus wie Klumpen und kamen mir fremd
vor.
„Meister Gishin“, – ich hatte mir angewöhnt, Itosu
so anzusprechen – „könnt Ihr bitte kommen?“
Klappern im Nebenraum machte deutlich, dass Itosu
sich aus dem Webrahmen herausschälte. „Braucht Ihr Hilfe?“ Er hatte sich neben
mich gekniet.
„Ich würde mich gerne ein wenig zu Euch setzen.“
„Oh, es geht Euch schon so gut? Das freut mich.“
Er griff unter mich und hob mich hoch. Kaum zu glauben, dass so ein alter Mann
mich tragen konnte, aber Itosu hielt mich mit einer verblüffenden Leichtigkeit
in den Armen und ließ mich im anderen Zimmer wieder auf einer Decke ab. Dann stellte
er einen Krug mit Wasser neben mich und widmete sich wieder dem Webrahmen.
Aufmerksam beobachtete ich ihn bei der Arbeit. Das
eine Ende der
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