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Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
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Zeit für Wang Anshi findet?“
    „Ich werde ihn im südlichen Teezimmer empfangen.“
    Shenzong hatte sich schon lange auf dieses Treffen
gefreut. Er war auf den Philosophen aufmerksam geworden, als man ihm aus dessen
Werk „Zehntausend-Worte-Memorandum“ vorgelesen hatte. Darin führte der alte
Mann konkret auf, welche Maßnahmen seines Erachtens nach erforderlich seien, um
den Staat erfolgreich zu reformieren. Shenzong war schon gespannt darauf, diese
Ideen persönlich von Wang Anshi dargelegt zu bekommen.
    Shenzong hatte sich auf dem erhöhten Podest im Teezimmer
niedergelassen, als man einen älteren Mann hereinführte.
    Er hatte ungefähr fünfundvierzig Sommer gesehen,
wirkte aber erstaunlich agil. In angemessener Entfernung verneigte er sich.
    „Es freut mich, Euch in meinem Palast begrüßen zu
können, Wang Anshi“, sagte Shenzong. „Ich habe schon viel von Euch gehört und
bin sehr gespannt, was Ihr mir zu berichten habt.“
    Der alte Mann richtete sich auf und sah ihn an.
Sein rundliches Gesicht und sein freundlicher Blick machten ihn sympathisch. Er
verneigte sich nochmals und Shenzong bedeutete ihm, sich zu setzen.
    Wang Anshi ließ sich nieder und griff nach der
Tasse Tee, die ihm ein Diener reichte.
    „Es freut mich sehr, dass Mein Kaiser auf meine bescheidene
Schrift aufmerksam geworden ist.“
    „Bescheiden würde ich sie nicht nennen! Sie steckt
voller interessanter Ideen und Ansichten. Bitte, erzählt mir mehr über Eure
Erkenntnisse.“
    Und Wang Anshi begann sein Memorandum mit dem
Kaiser zu diskutieren.
     
    Aus einem Treffen wurden mehrere und Shenzong war
mit jedem Mal faszinierter von der Persönlichkeit dieses Mannes. Er war immer
mehr davon überzeugt, in Wang Anshi einen fähigen Berater gefunden zu haben,
der ihn in seinem Vorhaben unterstützen konnte. Es würde ein Sturm der
Entrüstung losbrechen, vor allem die Beamtenschaft würde strikt gegen die
Neuerungen sein, die in dieser kleinen Runde ausgearbeitet wurden.
    Wang Anshi hielt Beamte für geschulte Literaten,
die zwar ein gutes Gedächtnis hatten und viel Text aufsagen konnten, aber für
ihre eigentlichen Aufgaben vollkommen ungeeignet waren. Das zu hören, würde den
Männern sicher nicht gefallen. Ebensowenig, wie die Tatsache, dass die
Beamtenprüfungen um die Themengebiete Mathematik, Medizin und Militär erweitert
werden sollten. Für viele würde dies die Aberkennung des Beamtenstatus und
somit den Verlust zahlreicher Vergünstigungen bedeuten. Was Shenzong allerdings
nicht ganz behagte, war Wang Anshis Vorschlag, den verbleibenden und höher
qualifizierten Beamten eine höhere Besoldung zuzusprechen. Der Kaiser
bezweifelte, dass auf diese Weise die Korruption unter den Beamten eingedämmt
werden könne. Wer einmal korrupt war, würde es immer sein.
    Ein weiteres Thema der Reformen beinhaltete eine
Verbesserung der Lage der Bauern, denn Wang Anshi sah in der Landwirtschaft das
Fundament des Staates. So ähnlich hatte es Kaiser Zhenzong auch eingeschätzt
und Shenzong war heute noch stolz auf dessen Reformen. Angetrieben von dem
Wunsch, auch Kaiser der Reformen zu sein, wuchs in ihm immer mehr der
Wunsch, Wang Anshi in seine Regierungsarbeiten einzubinden.
     
    ***
     
    „Er hat mich nun schon eine Woche nicht mehr zu
sich gerufen!“ Su-Ling war schlecht gelaunt und es war besser, ihr aus dem Weg
zu gehen, was nicht leicht war, denn sie ging aufgebracht im Gemeinschaftsraum
der Frauen auf und ab. Ein paar Frauen spielten, andere stickten an ihren nicht
enden wollenden Seidendeckchen. Kaum eine nahm Notiz von Su-Ling.
     
     
    „Was ist an diesem alten Mann nur so interessant,
dass er dessen Anwesenheit der meinen vorzieht?“ Su-Ling grummelte vor sich
hin.
    „Welcher alte Mann?“, fragte ich neugierig.
    Cheng-Si blickte von ihrer Stickarbeit auf: „Sie
meint Wang Anshi.“
    „Wang Anshi?“ Vage erinnerte ich mich an den Dichter,
denn er hatte einige wenige Male meinen Vater besucht. „Er ist hier am Hof?“
    „Ja, und er diskutiert schon seit Tagen mit
dem Kaiser!“ Su-Ling glühte vor Zorn. „Aber auch ein Denker muss einmal
schlafen! Nicht einmal dann werde ich vorgelassen! Ein Skandal!Sogar
Suan-Jen hat sich schon beschwert.“
    „Du sollst sie nicht bei ihrem Namen nennen!“
Cheng-Si schickte einen rügenden Blick in Richtung Su-Ling. „Du weißt, dass die
Ehrwürdige Hauptfrau das nicht schätzt!“
    Shenzongs Hauptfrau war ich noch nie begegnet.
Doch nach all dem, was ich hier gehört hatte, war

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