Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
Rate ziehen, die den drei Marschallen in der Führung
der Heere unterstützend zur Seite stehen.“
Der Kriegsminister kannte seine drei Untergebenen
und er wusste, es würde vor allem Mi Kejian nicht gefallen, wenn man ihnen
jemanden „zur Seite stellte“! Von allen dreien war er – obwohl der jüngste –
der konservativste, aber auch unbeliebteste. „Habt Ihr dafür schon jemanden im
Auge?“, rief er in Richtung Wang Anshi.
„Ja!“, kam dessen unmittelbare Antwort.
6 Bao Sen-Ho
Chenliu, Sommer 1069
Bao kehrte gerade vom Familientempel seiner Ahnen
zurück. Er war erst kürzlich aus seiner letzten Ausbildung bei Meister Hang
Shon-Gu erfolgreich entlassen worden und gerade im Begriff, sich wieder in der
Welt außerhalb der Schule einzuleben. Eines der ersten Dinge war es, sich bei
seinen Vorfahren – allen voran bei seinem Vater – für die Möglichkeiten zu
bedanken, die sich ihm in diesem Leben boten.
Seinem Vater hatte er es zu verdanken, dass er
frühzeitig mit der Schule der Kampfkunst in Berührung gekommen war. Bereits als
Dreijähriger hatte Bao seinen Vater nachgeahmt, wenn dieser seine täglichen
Übungen im Garten ausführte. Schon damals hatte er die Abläufe in einer für
sein Alter erstaunlich hohen Präzision und Behändigkeit ausgeführt, so dass ein
Freund seines Vaters auf ihn aufmerksam geworden war und vorschlug, Bao in eine
spezielle Schule zu schicken. Er hatte die Aufnahmeprüfungen ohne
Schwierigkeiten bestanden und war so vor mehr als zwanzig Jahren in die Welt
der Kampfkünste eingetreten. In all den Jahren hatte er viel gelernt und wurde
in einer Weise geprägt, die nur wenigen Schülern ermöglicht wurden. Es hatte
viele Neider gegeben unter seinen Schulkameraden, denn die meisten entwickelten
sich nach einer gewissen Zeit nicht weiter und verließen die Schule, während er
von einem Meister zum nächsten gereicht wurde und immer mehr Wissen erlangen
konnte. Es gab Zeiten, da er von Stolz erfüllt war, bis er gelernt hatte, auch
diesen als Feind zu erkennen und zu besiegen. Mittlerweile blickte er mit mehr
Demut auf seinen Werdegang.
„Gehe nun hinaus und erinnere dich stets an das,
was man dir hier beigebracht hat. Denke daran: Dein Gewissen ist dein einziger
Richter!“, waren die letzten Worte gewesen, die Meister Hang an ihn gerichtet
hatte, bevor Bao gegangen war.
Vier Monate war er nun wieder in seinem
Elternhaus. Sein Vater war vor sieben Jahren gestorben und seine Mutter war ihm
vor einem Jahr gefolgt. Seine Eltern hatten nur einander gehabt und es gab
außer ihm lediglich noch seine Schwester Men-Hu. Diese hatte in all den Jahren
den Haushalt geführt und das sehr gut, musste er zugeben. Die Ländereien waren
in gutem Zustand, die Erträge respektabel.
Sie hatte sich sehr gefreut, ihn wieder bei sich
zu haben, denn die Zeiten alleine waren einsam gewesen. Nun, da er
zurückgekehrt war und wohl noch einige Zeit bleiben würde, bis er
herausgefunden hatte, was das Leben ihm als nächstes anzubieten hatte, konnte
sie sich nach einem Ehemann umsehen.
Bao Men-Hu war zehn Jahre jünger als er und es war
höchste Zeit, sich um ihre Zukunft zu kümmern. Sie würde schnell einen Mann
finden, denn sie hatte all die Jahre ihr Geschick in der Führung eines größeren
Gutes unter Beweis gestellt. Abgesehen davon war sie für eine Fünfzehnjährige
noch eine schöne Frau, soweit er das beurteilen konnte. Er konnte sich bei
dieser Einschätzung allerdings nur auf sein Gefühl verlassen, denn Frauen
hatten in seinem bisherigen Leben nicht viel Platz gefunden, um nicht zu sagen
gar keinen.
„Ihr habt Besuch“, holte ihn ein Diener aus seinen
Gedanken. „ Hohen Besuch! Der Kanzler des Kaisers!“
„Wang Anshi? Er war ein Freund meines Vaters.“ Bao
hielt inne. „Was mag er von mir wollen?“
„Ich weiß es nicht. Man hat nicht offen mit mir
sprechen wollen. Ich habe den Herrn in Euer Teezimmer gebeten und die Herrin
Schwester kümmert sich gerade um ihn.“
Bao beeilte sich, sich frisch zu machen, um wenige
Minuten später vor seinen Gast zu treten. Seine Schwester hatte bereits den Tee
zubereitet und verließ umgehend den Raum, als er Platz nahm. Neugierig sah er den
alten Mann an.
„Wang Anshi, treuer Freund meiner Familie“,
begrüßte er ihn. „Ihr habt Euch kaum verändert seit dem Tode meines Vaters vor
sieben Jahren.“
„Ihr dafür umso mehr, Sen-Ho.“
Bao sah auf. „Meinen Rufnamen habe ich schon lange
nicht mehr gehört.
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