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Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
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andere
Qualitäten und Begabungen gefragt, und da sie dieselbe verquere Einstellung zur
Kampfkunst hatten wie ihr ehemaliger Anführer, war es nicht verwunderlich, dass
Kejian unter ihnen ein paar Männer für sein Vorhaben gewinnen konnte. Gemeinsam
mit zehn Verbündeten lauerte er Bao, seinem persönlichen Feind, auf. Kejian
hielt sich bei diesem Angriff geschickt im Hintergrund und beobachtete, wie
seine Kumpanen laut schreiend auf den Heerführer losgingen und wild auf ihn
eindroschen. Bao schien dieser Attacke nichts entgegensetzen zu können. Ja, er
versuchte scheinbar nicht einmal, sich zu wehren. Er hielt lediglich seinen
Umhang dicht um sich gewickelt und lag regungslos am Boden.
    Nach etwa zehn Minuten ließ die Horde von Bao ab
und machte sich in die Dunkelheit davon. Kejian konnte es sich nicht
verkneifen, dem am Boden liegenden Bao selbst noch einen kräftigen Fußtritt zu
verpassen.
    „Nun machst du dein Maul wohl nicht mehr so weit
auf“, zischte er ihm zu und rannte ebenfalls in die Nacht.
    Doch wie verwundert war er, als ihm Bao am
nächsten Tag zu gewohnter Stunde auf dem Exerzierplatz entgegentrat, ihn
freundlich anlächelte und mit den Übungen begann. Es war nicht zu fassen: Bao
hatte nicht eine Schramme, geschweige denn auch nur einen blauen Fleck am
Körper. Kejian selbst aber tat der Fuß, mit dem er nach dem Heerführer getreten
hatte, ähnlich weh, als hätte man ihm einen Zeh gebrochen.
    Er hörte, wie sich Bao fast beiläufig nach den fehlenden
zehn Soldaten einer unteren Einheit erkundigte. Der Sprecher dieser Einheit
trat vor und berichtete, man habe die Männer in das Haus der Genesung bringen müssen, da sie wohl in eine Rauferei geraten waren und sich dabei zum
Teil schwere Verletzungen zugezogen hätten. Als Kejian das hörte, bekam er
Angst, auch wenn er sich das nicht eingestehen wollte. Die Schmerzen seines
Fußes führte er auf einen Stoß beim täglichen Training zurück, weil er sich den
wahren Grund nicht eingestehen wollte.
     
    Wenig später erfuhr Bao von Wang Anshi, dass Mi
Kejian den Kaiser gebeten hatte, ihn aus dessen Diensten zu entlassen. Niemand
konnte Auskunft darüber geben, wohin er gegangen war, nur Bao wusste von der
Panik, die ihn hatte fliehen lassen. Es war die Angst vor einem Gegner, den er
nicht einschätzen konnte. Bao hatte schon vor Jahren die Lektion des
magischen Mantels gelernt. Eine durchaus sehr wirksame Methode, sich gegen
eine Überzahl von Angreifern zu schützen.
    Bao hatte gelernt, durch tiefe und schnelle
Meditation eine Art Schutzmantel um sich aufzubauen, die alle Aggressionen, die
sich gegen seinen Körper richteten, wie ein Spiegel an den Angreifer
zurückgeben. Die Quelle der Gewalt war damit sozusagen auch das Ziel der Gewalt
und der Angreifer fügte sich quasi seine Verletzungen selbst zu. Wenn man diese
Lektion beherrschte, war man in seiner Ausbildung schon sehr weit
fortgeschritten. Kejian war selbst nie so weit gekommen. Er hatte sich zwar
viel technisches Wissen angeeignet, doch nie richtig verstanden, um was es bei
der Kampfkunst wirklich ging. Stets hatte er nur das Besiegen an erster
Stelle gesehen und Bao wusste, dass ihm dadurch eine höhere Schule verwehrt
geblieben war.
    Seine Anwesenheit und gerade die jüngsten
Ereignisse hatten Kejian offenbar schmerzlich an sein eigenes Versagen erinnert
und er hatte vorerst seine Wahl getroffen: das Weite zu suchen. Bao war sich
sicher, dass er zu einem späteren Zeitpunkt nochmals sein Glück versuchen
würde, seine Rache zu stillen.
     
    ***
     
    Bao verließ mitten während der Übungen den Platz
und verschwand aus meinem Sichtfeld. Ich war enttäuscht. Die letzten zwei
Wochen war ich täglich in mein Versteck gekrochen, um ihm zuzusehen. Und nun
war er einfach vorzeitig gegangen.
    Geknickt machte ich mich daran, meine Thujenhöhle
zu verlassen. Als ich mich umdrehte, prallte ich gegen einen Körper. Eine Hand
legte sich auf meinen Mund und so hörte niemand meinen erschrockenen Schrei. Er
wäre ohnehin vom Geschrei der trainierenden Männer übertönt worden.
    Die Hand hatte meinen Mund freigegeben und ich
drehte mich empört um.
    „Was machst du hier?“, fragte ich verdattert.
    „Das Selbe könnte ich Euch fragen!“,
funkelte mich niemand Geringeres als Bao an. „Abgesehen davon wusste ich nicht,
dass wir uns derart nahe stehen, dass es eine solche vertraute Anrede zuließe!“
Er knurrte. „Also! Was macht Ihr hier?“
    Sein forsches Auftreten hatte mich ziemlich

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