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Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
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kleinen See.
Seitdem hatte ich nichts Außergewöhnliches mehr bemerkt.
     
    Jetzt, da Schnee lag, konnte ich die verschiedenen
Spuren sehen, die die Tiere hinterließen, wenn sie am Teich vorbeikamen, und
keiner der Abdrücke schien einem Raubtier zu gehören.
    Die erste wärmere Luft, die der Frühling brachte,
ließ den Schnee schmelzen und den Boden aufweichen. Dadurch hatte ich
Schwierigkeiten, meine heimlichen Pfade zu reiten und musste auf den Hauptwegen
bleiben. Eines Tages hörte ich einen Schrei. Er kam von weit her und klang nach
einer Frau in Not. Ich trieb Ning an und ritt in die Richtung, aus der
ich den Schrei vermutete. Wieder ertönte ein Hilferuf und nun konnte ich auch
Männerstimmen hören. Hastig zog ich an den Zügeln und brachte mein Pferd zum
Stehen. Sollte ich nachsehen, was dort geschah oder war das zu gefährlich? Ich
war unerkannt geblieben während all der Zeit, die ich nun ausritt und wollte
nicht riskieren, entdeckt zu werden. Abgesehen davon konnte ich überhaupt nicht
beweisen, wer ich war und bezweifelte, ob die Männer das interessieren würde.
    Die Frau in der Ferne schrie erneut und eine zweite,
ältere Frauenstimme kam dazu.
    „Nein, bitte. Lasst sie mir“, war alles, was ich
verstand. Ich sah mich um und erkannte, dass ich mich in der Nähe meiner
sommerlichen Gastgeberin befand. War das am Ende die Frau, die mir Wasser
gereicht hatte?
    Entschlossen ritt ich los. Nach der Wegbiegung
gelangte ich an den Ort, den ich vermutet hatte. Das Haus stand am Rande der
Lichtung. Ich erkannte, dass es sich um Soldaten des Kaisers handelte, die an
einer jungen Frau zerrten. Die andere – eine Ältere – schlug kraftlos auf den einen
der Soldaten ein. Ich erkannte die Frau, die mich damals bewirtet hatte, als
ich an der Hütte vorbeigekommen war.
    Der zweite Soldat schlug gerade nach der Alten,
als ich angeritten kam und nach ihm trat.
    „Aufhören!“, schrie ich aufgebracht. In meiner Wut
vergaß ich meine eigene Sicherheit. „Sofort!“
    Der getroffene Mann erhob sich kopfschüttelnd und
sah mich wütend an. „Frau, schleich dich! Du hast hier nichts zu suchen.
Verschwinde, oder wir nehmen dich auch gleich mit!“
    „Dazu habt ihr gar nicht das Recht! Ich bin
Min-Tao, eine Frau des Kaisers. Lasst sofort das Mädchen los!“
    Die Männer sahen mich verblüfft an und brachen
nach einer kurzen Schreckenssekunde in schallendes Gelächter aus.
    „Min-Tao? Du willst Min-Tao sein?“, feixte einer
der Männer. „Eine Frau des Kaisers? Wir haben ja schon viel gehört von der Reitenden
Kaiserin . Aber jedes Kind weiß doch, dass das ein Gespinst der Bauern ist.
Der Kaiser würde seinen Frauen niemals gestatten, den Palast zu verlassen.“
    Der andere Mann packte Nings Zügel und
griff nach meinem Bein. So schnell konnte ich gar nicht schauen, wie ich vom
Pferd gezogen wurde, und musste hilflos mit ansehen, wie man an meinen
Gewändern zerrte.
    „Sieh her, Weib. Deine Füße!“
    „Was ist mit meinen Füßen?“, konterte ich trotzig.
    „Sie sehen aus, wie die einer Bauersfrau!“
    „Zeng! Lass die Frau in Ruhe.“ Der zweite Mann war
blass geworden und klopfte seinem Kameraden auf den Rücken. „Zeng. Sieh doch!“
    Jener Zeng erhob sich fluchend von mir und stellte
sich neben seinen Kameraden. Dieser zeigte auf Nings Hinterlauf, und die
beiden Männer starrten auf das kaiserliche Brandsiegel. Erschrocken blickten
sie mir ins Gesicht. Doch der Schreck dauerte nur eine kurze Weile, denn Zeng
hatte einen weiteren Gedanken. Er kam auf mich zugestürmt und riss an meinem
Haar: „Du bist nicht nur eine Lügnerin, sondern auch noch eine Diebin. Woher
hast du das Pferd?“
    „Es gehört mir!“
    „Das kann nicht sein. Das ist das Pferd des
Kaisers.“
    „Zeng, bitte. Vielleicht ist sie es ja doch.“ Der
andere Soldat wirkte hilflos.
    „Songji! Halt endlich dein Maul! Wir haben hier
eine dreckige Lügnerin, die sich als eine der kaiserlichen Frauen ausgibt. Wir
wissen doch beide, dass der Kaiser niemals – unter keinen Umständen – seinen
Frauen gestattet, den Palast ohne ihn zu verlassen.“ Zeng sah böse auf mich
herab. „Wir nehmen sie mit. Und die andere sowieso!“
    Ich protestierte, hatte aber keine Kraft mich
gegen die Männer zu wehren. Als wären wir leicht wie Federn, packten uns die
beiden Männer wie Säcke über den Rücken ihrer Pferde. Dann ritten sie mit uns
davon.
    Panik stieg in mir auf. Niemand wusste, wo ich war
– vor allem, niemand würde nach mir suchen.

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