Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
Wang Anshi hatte mir mehr als
deutlich gemacht, dass Shenzong nach außen hin meine Freiheiten dementieren
würde. Dass mir zudem noch die Isolation blühte, sollte ich tatsächlich gerettet
werden, vergaß ich in meinem Schreck.
Die alte Frau blieb weinend zurück.
Die beiden Soldaten ritten nicht in Richtung
Palast, soviel konnte ich erkennen.
„Wohin reiten wir?“, fragte ich.
„Das geht dich nichts an!“, herrschte Zeng, der
mich bei sich aufs Pferd genommen hatte.
Nach einer Weile gelangten wir an eine Baracke,
die von einem Holzzaun umrahmt war. Dahinter sah ich von Weitem schon viele
andere Menschen und weitere Soldaten. Was geschah hier? Ich konnte mir keinen
Reim auf diese Angelegenheit machen.
Als die Pferde das Gatter erreichten, wurde ein
Tor geöffnet und die Tiere schritten durch die Öffnung. Im Inneren angekommen,
stiegen die Männer ab und zerrten die uns grob von den Pferden.
„Wen hast du mitgebracht?“ Ein dritter Soldat war
herangetreten und betrachtete mich und dann Ning , die nervös hin und her
tänzelte.
„Da ist eine, die behauptet, die Herrin Min-Tao zu
sein. Ist das zu fassen?“ Zeng lachte noch immer über den vermeintlichen
Scherz. „Außerdem ist sie eine Diebin.“
„Woher willst du das wissen?“ Songji machte sich
noch immer Sorgen und hatte offenbar kein gutes Gefühl dabei, sich in meiner
Nähe aufzuhalten. Er wich mir aus, so oft er konnte. „Woher willst du wissen,
dass sie es nicht wirklich ist?“
Zeng blickte seinen Kameraden abschätzig an. „Ich
habe es dir doch schon ein paar Mal gesagt. Noch nie hat eine der verbotenen
Frauen den Palast verlassen. Schon gar nicht alleine.“
„Diese hier sieht aber nicht aus wie eine
Bauersfrau.“ Der dritte Soldat, Jan-He, war ebenfalls skeptisch.
„Sieh´ doch mal ihre Füße an!“ Entnervt wies Zeng
auf meine Füße. „Sehen so edle Frauen aus?“
„Ich habe gehört, dass Min-Tao tatsächlich normale
Füße haben soll. Und es geht auch das Gerücht, dass eine der Frauen regelmäßig
zu Pferd den Palast verlässt.“ Jan-He gab Zeng einen leichten Schlag auf die
Schulter. „Hast du davon noch nichts gehört?“
„Das ist doch Weibergewäsch. Niemand hat je diese
Frau zu Gesicht bekommen, die da in der Gegend herumreitet.“ Dennoch sah mich
Zeng beunruhigt an. Ich sah ihm förmlich an, wie er überlegte, was wäre, wenn
die anderen beiden doch Recht behalten sollten.
Er musterte mich und ich sah ihn trotzig an.
Anders als die Frauen der Bauern wich ich seinem Blick nicht aus. Eines
war klar: Mit mir hatte er eine selbstbewusste Frau vor sich, die sich nichts
gefallen lassen würde. Und wenn er mich nur ein wenig genauer betrachten würde,
würde ihm meine Haut auffallen. Wobei ich, so fiel mir ein, von der Arbeit mit
den Pferden ziemliche Schwielen an den Händen bekommen hatte. Vielleicht sollte
er mich doch nicht so genau ansehen; ich bildete Fäuste und steckte sie hinter
den Rücken.
Dieser kleine Anflug von Zweifel genügte meinem Entführer
offenbar, sich nun doch sicher zu fühlen. Er griff nach meiner Hand – genau
das, was ich zu vermeiden versucht hatte.
„Weich wie Seide! Nur ein wenig Hornhaut von den
Zügeln. Du scheinst es nicht gewohnt zu sein, zu arbeiten.“
„Das brauche ich auch nicht!“, blaffte ich zurück.
„Ich sage die Wahrheit und Ihr werdet Schwierigkeiten bekommen, wenn all dies
heraus kommt. Was ist das hier für eine Versammlung? Was sind das für Menschen?
Ich habe nicht den Eindruck, als seien sie freiwillig hier!“
Diesem Zeng ging allmählich die Luft aus. Ihm
schwante wohl, dass er einen großen Fehler gemacht hatte, wusste aber offenbar
nicht, wie er aus dieser Sache wieder herauskommen sollte – und zwar lebend.
Denn wenn ich tatsächlich eine kaiserliche Frau war, war er ein toter Mann.
Was dieser Kerl nicht bemerkte, war meine Sorge,
es könnte herauskommen, dass ich auf keinerlei Unterstützung hoffen konnte.
Wang Anshi wäre es doch ganz Recht, wenn ich auf diese Weise verschwand.
Wie sollte ich hier wieder heraus kommen?
Die Sonne war untergegangen und es wurde kalt. Die
Baracken innerhalb des eingezäunten Feldes hatten nicht genug Platz für die
vielen Menschen, die sich dort aufhielten und so drängten sich die Insassen
aneinander, als es Nacht wurde. Das hatte zwar den Vorteil, dass man nicht so
sehr fror. Der Nachteil war jedoch, dass das Lager fast ausschließlich Männer
enthielt und nur fünf Frauen. Wir konnten uns zwar gegenseitig
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