Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
war. Aber wir hatten uns nun drei
Jahre nicht gesehen! Das war eine lange Zeit und ich spürte erste Zweifel in
mir aufkommen, ob es zwischen uns überhaupt noch Liebe gab oder ob es nur eine
romantische Erinnerung aus der Vergangenheit war.
Nach einem Mondlauf waren wir fast am Ziel angekommen.
Die Landschaft hatte sich verändert. Vor ein paar Tagen hatte der Große Fluss
einen Bogen nach Norden gemacht, doch wir waren weiter Richtung Westen gefahren.
Auf der linken Seite ragten nun Berge in die Höhe und die Straße führte an
deren Fuße entlang. Man merkte, dass wir froh waren, uns bald wieder frei
bewegen zu können. Wir waren beinahe vierhundert Li gereist und das unter sehr
unbequemen Bedingungen. Es hatte keine Rückzugsmöglichkeiten gegeben und wenn
man sich so viele Tage dermaßen nahe war, kam es unweigerlich zu Reibereien. Ab
und an hatten wir die Kutsche gewechselt, um neue Gesichter zu sehen und andere
Gespräche zu führen – dennoch hatten wir bald alles gesagt, was es zu sagen
gegeben hatte; kurzum: Der unbekannte Ort erschien – zumindest mir – wie das
Paradies auf Erden.
In der alten Heimat hatte ich schon viele
Geschichten und Erzählungen über Qin gehört. Es musste mittlerweile eine
richtige Stadt geworden sein. Die anderen entspannten sich merklich, als sich
in weiter Entfernung bald die ersten Hütten und kleinere Häuser bemerkbar
machten und wir durch die Vorhänge in den Fenstern der Kutschen auch Menschen
sahen. Mir ging es da anders.
Was würde mich erwarten in dem neuen Zuhause? Gerade
in den letzten Nächten war Bao mir wieder sehr nahe gewesen und ich hatte jeden
Morgen mehr die Gewissheit, er würde ebenso fühlen.
Es war nun nicht mehr so einfach, die Straßen abzusperren,
um unbehelligt durch die Gegend zu reisen. An jeder Kutsche ritten seitlich
mehrere Soldaten und versperrten der neugierigen Bevölkerung den Blick auf die
kaiserlichen Kutschen. Selbst wenn wir durch den Vorhang gelugt hätten, hätten
wir nur Pferdehintern und Männerbeine gesehen. So saßen wir zum Schluss zurückgelehnt
auf unseren Plätzen und hingen unseren Gedanken nach.
Und meine Gedanken waren zwangsläufig bei Bao.
Die Kutschen erreichten die Stadtgrenzen von Qin.
Der Frühling war beinahe zu Ende und der Sommer versprach heiß zu werden, denn
bereits in den frühen Morgenstunden war es warm. Obwohl der Tag noch nicht sehr
alt war, tummelten sich bereits viele Menschen auf den Straßen, die jedoch von
zahlreichen Soldaten zurückgedrängt wurden. Die Kutsche kam so relativ rasch
voran, doch ich versuchte dennoch, durch die Vorhänge Blicke auf die
Menschenmenge zu erhaschen. Vielleicht würde ich unter ihnen meinen Liebsten
ausmachen… Doch schon bald musste ich erkennen, dass es nur ein irrsinniger Gedanke
gewesen sein konnte, ihn gerade hier zu sehen. Erstens versperrte nach wie vor
die Eskorte den Blick und zweitens war es den Menschen nicht erlaubt,
aufzusehen; sie blickten alle auf den Boden, als wir in unseren Kutschen
vorbeifuhren.
Wir näherten uns dem Palast.
Nachdem wir die überfüllten Straßen hinter uns
gelassen hatten, hängten wir die Vorhänge beiseite und warfen einen ersten
Blick auf die neue Anlage.
„Sie haben unser Quartier neu errichtet“, sagte
Cheng-Si. „Es ist erst vor wenigen Wochen fertig geworden.“
Neugierig späten Su-Ling, Shinlan und ich aus der
Kutsche; aber außer Mauern und einem riesigen Dachfirst, der darüber hinaus
ragte, war noch nichts zu sehen.
Ich war schon gespannt, wie es wohl in den neuen
Räumlichkeiten sein würde. Von weitem wirkte der neue Palast ebenso
majestätisch, wenn auch nicht so riesig, wie der alte in Dongjing.
Schließlich näherten wir uns einem massiven
Holztor. Direkt hinter uns wurde es sofort wieder geschlossen; die Nachhut
musste offenbar durch einen anderen Weg gehen.
Die Kutsche des Kaisers hielt als erste am Rande
der Treppe, die hinauf in den Thronsaal führte und Shenzong stieg aus. Ich
beobachtete, wie er sich kurz umsah und sich dann in eine Sänfte setzte, mit
der er die vielen Stufen zum Palastgebäude hinauf getragen wurde.
Am Kopfe einer langen steinernen Treppe stand das
Haupthaus. Es ragte mehrstöckig und golden bemalt über alles hinaus. Jeweils
rechts und links befanden sich die neu errichteten Gebäude, die sehr an jene in
Dongjing erinnerten. Es mochte hier kleiner sein als im alten Palast, aber es
schien ihm hier zu gefallen.
Wang Anshi begrüßte uns mit einer
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