Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
ärgerlich.
„Ich sollte Euch wecken, wenn der Kanzler
eintrifft!“
Wang Anshi! Dieser Mann gönnte ihm wohl nicht einmal
süße Träume! „Danke, Ketùn. Du kannst schon vorausgehen. Ich werde den Kanzler
gleich empfangen!“
Im Raum war es wieder still geworden. Bao hörte
draußen die Geschäftigkeit, mit der alles für den Empfang des Kanzlers
vorbereitet wurde. Er selbst versuchte, Klarheit in seinen Schädel zu bekommen.
Was war das nur für ein Traum?! – Min-Tao fehlte ihm so sehr!
Dann stand er auf, kleidete sich an und machte
sich auf, den Kanzler zu treffen.
Wang Anshi erwartete ihn bereits und umarmte ihn
herzlich. „Du hast großartige Arbeit geleistet! Meine Gratulation! Wie ich
sehe, sind die Arbeiten am Palast beinahe abgeschlossen und was ich bis jetzt
vom Heer gesehen habe, stimmt mich wahrlich zufrieden! Wie ich sehe, sind alle
Soldaten vereint.“
„Ja, die letzten sind im Laufe des Sommers
eingetroffen. Die Ausbildung läuft gut und wir sind nun dabei, aus ihnen ein
schlagkräftiges Heer zu formen.“
Der Kanzler nickte zufrieden. „Es freut dich
sicherlich zu erfahren, dass der Kaiser beschlossen hat, wie geplant nächstes
Frühjahr nach Qin umzusiedeln! Nach meinen bisherigen Beobachtungen wird er
wohl bei seiner Meinung bleiben.“
Bao verneigte sich, um seinen Gesichtsausdruck zu
verbergen. Er war sich nicht sicher, ob er vor Wang Anshi einen gleichgültigen
Anschein erwecken konnte. Der alte Mann kannte ihn zu gut, fast so gut wie sein
Vater, der ihn auch stets durchschaut hatte.
Erst als Wang Anshi nach ein paar Tagen wieder abgereist
war, erlaubte er es sich, des Nachts in seinem Bett alle Gefühle zuzulassen,
die er unterdrückt hatte. Manchmal hatte er das Gefühl, sie könne ihn hören,
und er glaubte sogar, ihre Stimme zu vernehmen. Im Gedanken hielt er
Zwiegespräch mit seiner Geliebten.
Wenn sie doch nur wüsste, wie sehr er sie
vermisste! Aber vielleicht hatte das Warten ja bald ein Ende. Wenn Shenzong sie
doch nur mitnahm. Er musste sie einfach mitbringen!
Mit dieser Hoffnung schlief er ein.
17 Ein Umzug steht an
Dongjing, Winter 1073
Das Haus der Frauen war in Aufruhr, seit
bekannt geworden war, dass der Kaiser umsiedeln wollte.
„Nach Qin?“ Shinlan war wieder schwanger und erwartete
nach der sechsjährigen Jin-E, der vierjährigen Mian-Ji und dem einjährigen
Dandan in wenigen Wochen ein viertes Kind. „Ich kann unmöglich in diesem
Zustand umsiedeln!“
Cheng-Si beruhigte sie: „Es gehen ja auch nur
wenige von uns mit.“
Dass es sich dabei um Su-Ling handelte, war allen
klar. Der Kaiser konnte nie länger als eine Woche auf ihre „Dienste“ verzichten.
„Abgesehen davon“, fuhr die Hausmutter fort,
„haben wir noch Zeit, bis die warmen Tage wiedergekommen sind und die Flüsse
sich beruhigt haben.“
„Der Rest bleibt hier?“, ergriff Shinlan noch
einmal das Wort.
Cheng-Si sah in die Runde. „Ich fürchte, ja.“
Ein paar Frauen zeigten ihre Enttäuschung.
Nur ich nicht. Ich erlaubte mir erst in meinem
Raum die Fassung zu verlieren.
So nah hätte ich ihm sein können; stattdessen
musste ich hier bleiben. Still weinte ich in mich hinein. Wie ungerecht kam mir
die Welt vor. Gerade in letzter Zeit hatte ich wieder des Öfteren von Bao
geträumt, hatte dort in seinen Armen gelegen und mich geborgen und verstanden gefühlt.
Das Aufwachen am Morgen war dann immer besonders unangenehm. Erst seit ich von
dem Gerücht gehört hatte, der Hofstaat werde nach Qin verlegt, hatte ich wieder
Hoffnung geschöpft. Diese war nun gestorben. Fast wünschte ich mir, doch zu den
Favoritinnen des Kaisers zu gehören. Aber dem war nicht so.
***
Cheng-Si beobachtete Min-Tao genau. Ihr entging
die Enttäuschung der jungen Frau nicht. Min-Tao war nun beinahe fünf Jahre im Haus
der Frauen und von dem dreizehnjährigen naiven Mädchen von damals war keine
Spur mehr. Es hatte Platz gemacht für eine schöne, junge Frau. Ihr war Min-Tao
in den letzten Jahren sehr ans Herz gewachsen, mehr als es Cheng-Si lieb war.
Doch gerade in der letzten Zeit hatte ihr Schützling sie an jemanden erinnert.
Cheng-Si hatte ein Mädchen gekannt, das
unsterblich in einen jungen Mann verliebt gewesen war, dessen Prioritäten allerdings
schon immer in der Politik gelegen hatten. Die beiden hatten sich geliebt, ohne
Zweifel. Aber der Mann hatte sich nie öffentlich zu ihr bekannt und das Mädchen
war in ihrer untergeordneten Rolle sehr unglücklich
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