Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
Erhellt wurde der Raum durch schmale Fenster, die
oben, entlang der Wände, knapp unterhalb der Decke verliefen.
Als ich den Raum durchschritt, bemerkte ich in der
hinteren Ecke eine Holztür. Als ich diese vorsichtig beiseiteschob, sah ich vor
mir einen kleinen quadratischen Raum, der auf der rechten Seite eine weitere
Tür hatte. Auch diese öffnete ich neugierig.
Der Raum, den ich nun betrat, war offensichtlich
das Schlafzimmer. Links stand ein prachtvolles Nachtlager. Es war viel größer,
als mein altes in Dongjing. Der Fußboden war aus blank poliertem Holz und
glänzte. Vorsichtig betrat ich das Schlafzimmer und bemerkte links eine weitere
Tür.
„Hier gibt es aber viele schwere Türen“, murmelte
ich.
Die dritte Tür führte in einen kleineren Raum mit
einer Kommode an der Außenwand. Darauf stand eine Schale und aus der Wand
führte ein Rohr. Von draußen hörte ich es plätschern und wunderte mich. Am Rohr
war eine Art Hebel, der – wie es schien – zur Seite gedreht werden konnte. Kaum
hatte ich den Hebel seitlich umgelegt, schoss Wasser aus dem Rohr in die
Schüssel und ich schrie vor Schreck. Schnell drehte ich den Hebel wieder auf
seine ursprüngliche Position. Der Wasserstrahl versiegte. Vorsichtig berührte
ich noch einmal das seltsame Konstrukt, diesmal zaghafter. Ein Rinnsal floss
aus dem Rohr und plätscherte leise vor sich hin. Kalte Wasserspritzer trafen
mich im Gesicht und ich musste kichern. Ein paar Mal bediente ich den Hebel:
Hoch, runter, hoch, runter… Kein Wasser. Wasser. Kein Wasser. Wasser.
Das Spiel gefiel mir. Fließendes Wasser im Zimmer!
Wie faszinierend!!!
Ich riss mich los von diesem Wunder und sah mich
weiter um. An der zweiten Außenwand der kleinen Waschkammer war eine Schiebetür
und dahinter entdeckte ich Regale. Hier konnte ich meine Gewänder und persönlichen
Gegenstände ablegen. Das Wühlen in Truhen war nun also auch vorüber.
Staunend ging ich zurück in das Schlafzimmer und
wollte mich gerade auf die Schlafstelle fallen lassen, als ich draußen
erschreckte Schreie hörte. Offenbar hatten die anderen auch fließendes Wasser.
Lachend rannte ich hinaus.
„Habt ihr auch fließendes Wasser?“, wollte ich
wissen.
„Und dieses Schlafzimmer!“
„Der offene Kamin!“
„Die hellen Fenster, ohne dass man von außen
gesehen wird.“
Alle Frauen waren hellauf begeistert.
„Und ich habe es nicht mehr so weit bis zum
Kaiser!“
Wir blickten zu Su-Ling und lachten. Sie hatte
tatsächlich die erste Wohnung im Haus der Frauen zugeteilt bekommen.
Dann blickten alle zu mir, die ich ganz am Ende des Hauses lebte. Es war nach
wie vor kein Geheimnis, was zwischen dem Kaiser und mir nicht stattfand.
Doch alle wussten auch, dass ich mit diesem Arrangement zufrieden war. Ich
wohnte direkt am Garten und hatte es nicht allzu weit zu den kaiserlichen
Stallungen. Der Kaiser schien alles perfekt geplant zu haben.
Dass dahinter die Ideen eines anderen Mannes steckten,
wussten wir nicht.
Während der ersten Wochen versuchte ich einen Überblick
über die Palastanlage zu bekommen. Es war hilfreich, dass alle wussten, wie
sehr ich es liebte, im Garten zu spazieren, und dass ich auch wieder die
Freiheiten erhalten hatte, mich um die Pferde zu kümmern. Zu meiner Enttäuschung
musste ich feststellen, dass das Heer außerhalb des Palastes untergebracht war
und ich auch keine Möglichkeit hatte, unbehelligt dorthin zureiten.
Auch der Übungsplatz befand sich außerhalb der Mauern
und es gab hier keine Thujenhecken, die man als Versteck benutzen konnte. Hohe
Mauern trennten mich von der Außenwelt und ich war verzweifelt! So nah! Und
doch konnte ich nicht zu ihm!
Tröstlich war einzig der Gedanke, dass er von
meiner Anwesenheit wusste und dass er bestimmt einen Weg finden würde, ein
Treffen zu ermöglichen.
19 Folge dem Mondlicht
Qin, Spätsommer 1074
Der Alltag war eingekehrt im neuen Palast. Wang Anshi
hatte sich, wie der restliche Hofstaat auch, eingerichtet und wohnte auf der
anderen Seite des Palastes. Der Kaiser war zufrieden mit sich und seiner
Umgebung und auch die Frauen fühlten sich, soweit er das gehört hatte, wohl in
ihren neuen Wohnungen.
Wang Anshi empfing regelmäßig seinen Schützling
und nachdem es monatelang ruhig geblieben war und er den Eindruck hatte, Bao
wäre wieder zur Vernunft gekommen, konnte er sich gelassen den Vorbereitungen
für einen Angriff im nächsten Frühling zuwenden. Wie er vorausgesehen hatte,
war aus den
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