Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
bin ich sehr froh, denn ich fühle mich
diesmal sehr müde. Fast scheint es, als würde der Körper mit jedem Mal fauler
werden. Ich kann mich nicht erinnern, dass es das letzte Mal so anstrengend
gewesen wäre, ein Kind zu bekommen.“ Die frisch gebackene Mutter lag blass in
ihren Kissen. „Ich bin so froh, dass ich mit Euch gehen kann.“ Shinlan meinte
damit die bevorstehende Verlegung nach Qin.
Cheng-Si hätte sie ungerne alleine zurückgelassen.
Es würde eine beschwerliche Reise werden – für jede von ihnen, da war sie sich
sicher.
Teil IV – Qin
18 Ein Neues Haus der
Frauen
Dongjing, Frühling 1074
Die wärmeren Tage weckten die Menschen aus ihrer
winterlichen Trägheit; die Menschen hatten mit dem bevorstehenden Umzug alle
Hände voll zu tun. Im Haus der Frauen herrschte sogar Aufregung. Alle
unsere Habseligkeiten waren auf Kutschen geladen und teilweise schon vorausgeschickt
worden. Der Kaiser und wir reisten gemeinsam in einem großen Tross. Suan-Jen
war nicht dabei. Sie hatte sich geweigert, vorzeitig aus ihrem Winterdomizil
abzureisen und wollte im Sommer nachkommen. Einige vermuteten, dass die
Ehrwürdige Hauptfrau nie wieder zu Shenzong zurückkehren würde, doch ich kannte
Shinlans Meinung dazu. Sie wusste tief in ihrem Inneren, dass ihre Rivalin noch
nicht aufgegeben hatte. Noch war es Suan-Jen möglich, einen eigenen Sohn zu
bekommen, doch dazu brauchte sie die Anwesenheit Shenzongs. Über kurz oder lang
würde sie deshalb nach Qin kommen, da war Shinlan sich sehr sicher.
In meinem ganzen Leben war ich nicht mit so vielen
Menschen gereist. Von unserer Kutsche aus konnte man gerade noch den Anfang,
doch nicht das Ende des Zuges sehen. Allen voran ritt eine Vorhut von Soldaten,
die alle mögliche Unwegsamkeit im Vorfeld beseitigen sollten. Das beinhaltete
unter anderem das Absperren bewohnter Gebiete, denn niemand sollte einen Blick
auf den Kaiser oder seine Frauen werfen dürfen. Den Zug selbst führte die
Leibgarde an, gefolgt von den Ministern und den Priestern. Dahinter fuhr
Shenzong und ihm folgten wir Frauen. Hinter uns ritt ein weiterer Teil der Leibgarde,
gefolgt von weiteren Soldaten. Die Nachhut bildeten die Bediensteten.
Gegen Geleitschutz hatte ich ja nichts
einzuwenden, aber dieses dermaßen abgeschirmte Reisen fand ich mehr als
übertrieben, denn wir saßen ohnehin hinter vorgezogenen Vorhängen. Wer hätte
uns sehen sollen? Und was war schon dabei, gesehen zu werden? Dieses strenge
Hofprotokoll, über das die Minister und Priester pedantisch wachten, war mir in
mancherlei Hinsicht wirklich unverständlich und erschien mir vollkommen
überzogen. Aber es musste eingehalten werden, also lehnte ich mich zurück. Mir
fehlte Ning ; sie war mit den anderen Pferden bereits nach Qin gebracht
worden. Wie schön wäre es gewesen, ab und an auf dem Rücken meiner geliebten
Stute zu reiten, nicht nur wegen der Bewegung, sondern vor allem, um der
Eintönigkeit dieser Reise zu entkommen. Mit mir reisten Shinlan, Su-Ling und
Cheng-Si, die mich wohl gerne im Blick behielt; manchmal hatte ich das Gefühl,
die Hausmutter glaubte, ich könnte während der Reise „verloren“ gehen. Wohin
hätte ich denn flüchten sollen? Ohne Ning …
In den Kutschen hinter uns reisten die restlichen
Frauen; es war deutlich zu hören, denn sie gackerten lustig vor sich hin. Seit
Jahren hatten sie keine Reise mehr unternommen, geschweige denn den Palast
verlassen; für sie war dieser Umzug das Abenteuer schlechthin.
Wenn es die Wachen nicht sahen und Cheng-Si
schlief, hängten wir die Vorhänge zurück und schauten neugierig in die Gegend.
Wir fuhren einige Tage in sicherer Entfernung zum
angestiegenen Großen Fluss in Richtung Westen. Weit am Horizont erhoben
sich langsam die Berge zum Himmel, doch noch befanden wir uns in der Tiefebene.
Große Getreide- und Reisfelder zogen an uns vorbei, die jedoch stets menschenleer
waren, wenn die kaiserlichen Kutschen angefahren kamen. Die Vorhut des Zuges
leistete gründliche Arbeit.
Mir ging die Reise viel zu langsam, denn ich hatte
natürlich eine andere Motivation, schnell nach Qin zu kommen. Was für ein Glück
war es gewesen, nun doch mitkommen zu dürfen. Nach all der Enttäuschung zu
Anfang hatte sich doch alles zu einem Besseren gewendet. Ob ich allerdings am
Ende der Reise tatsächlich den Mann wieder sehen würde, den ich liebte, wusste
ich nicht.
Aus den Geschichten, die man sich am Hofe
erzählte, wusste ich, dass Bao noch in Qin
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