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Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
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Raum, in dem ich mich
immer ankleidete. Hier gab es nur schmale Fenster entlang der Decke. An der Außenwand
stand der Schrank mit Schiebetür. Einem Instinkt folgend öffnete ich ihn,
räumte meine Gewänder aus und stand schließlich vor dem leeren Schrank. In der
hinteren unteren Ecke fand ich etwas, was mein Herz rasen ließ: Ein
vertrockneter Thujenzweig! Der war mit Sicherheit nicht dort gelegen, als ich
meine Kleider eingeräumt hatte. Wie lange er wohl schon dort lag? Offenbar
konnte jemand meine Gemächer betreten. Ob Bao das gewesen war? Aber wieso hätte
er den Zweig in den Schrank gelegt und nicht auf mein Bett oder sonst wo?
    Was sollte ich tun? Den Zweig wegräumen? Sah Bao
hier regelmäßig nach? Aber dann wäre er doch schon längst herein gekommen!
Nein, das konnte nicht sein. Wahrscheinlich gab es so etwas wie eine Tür.
    Vorsichtig rüttelte ich an der Rückwand und
merkte, dass diese leicht nachgab.
    „Min-Tao“, ertönte es irgendwo draußen und ich erschrak
entsetzlich. Offenbar wollte mich gerade jemand besuchen. Panisch schmiss ich
sämtliche Kleider wieder in den Schrank, zog die Türe zu und nutzte den Weg ins
Wohnzimmer, um mich zu sammeln.
    Cheng-Si stand da und wartete auf mich.
    Was wollte sie? Wieso war sie immer da, wenn man
sie am wenigsten gebrauchen konnte?
    „Liebe Mutter“, begrüßte ich sie. „Ich freue mich,
Euch zu sehen. Was führt Euch zu mir?“
    Cheng-Si lächelte. „Ich wollte sehen, wie es dir
geht. Ich habe gehört, du schläfst schlecht in letzter Zeit. Fühlst du dich
unwohl?“
    „Nun, der Mond hat mich ein wenig beschäftigt“,
sagte ich wahrheitsgemäß. „Er strahlt sehr hell in den letzten Tagen. Aber ansonsten
geht es mir gut. Danke für Eure Gedanken!“ Ich ging auf Cheng-Si zu. „Gerade
war ich auf dem Weg zu den Pferden. Wollt Ihr mich begleiten?“ Ich hakte mich
bei ihr unter, und gemeinsam verließen wir die Wohnung.
     
     
    Die Pferde freuten sich, als sie mich rochen. Ning stupste mich mit ihren Nüstern an und schnaubte.
    „Ja, meine Liebe! Du weißt doch, dass ich immer
eine Karotte für dich habe“, lachte ich.
    „Du hast sie richtig lieb gewonnen, nicht wahr?“
Cheng-Si betrachtete mich.
    „Ja, sie sind gutmütige Tiere. Und sie spielen
nicht mit den Gefühlen anderer. Sie hören zu und geben mir Trost.“ Ernst sah
ich Cheng-Si an. „Ich bin dem Kaiser wirklich sehr dankbar, dass er mir so ein
schönes Geschenk gemacht hat“, sagte ich und meinte es sogar ernst.
    „Bist du schon ausgeritten?“, fragte sie mich.
„Außerhalb des Palastes, meine ich“, schob sie nach.
    „Das wurde mir hier nicht gestattet“, schüttelte
ich den Kopf. „Shenzong sieht einen Anlass, mir hier nicht alle Freiheiten zu
geben, die ich in Dongjing hatte.“
    „Und wenn du sie hättest, wo würdest du
hinreiten?“
    Misstrauisch sah ich die alte Frau an, verbarg
aber meinen Argwohn. Was wollte sie? Wollte sie herausfinden, ob ich mich mit
Bao traf? „Verehrte Mutter“, sagte ich. „Ich habe nicht vor, meinem Kaiser
Schande zu bereiten, in dem ich vor dem Heer auf und abreiten würde, wenn es
das ist, was Ihr meint. Wie Ihr wisst, ziehe ich die Ruhe der Natur all dem
Lärm am Palast vor. Wir sind hier ein gutes Stück im Land und Qin ist nicht so
groß wie Dongjing. Es gibt sicher viele Möglichkeiten für die Pferde, im Umland
ausreichend Bewegung zu bekommen.“ Meine Worte waren hart geworden. „Und jetzt
entschuldigt mich, ich muss mich um mein Pferd kümmern.“
    Cheng-Si nickte, blieb jedoch stehen und sah mir
eine Weile zu. Ich gab vor, nicht weiter auf sie zu achten und war erleichtert,
als sie endlich ging.
    Kaum war sie außer Sichtweite, wartete ich noch
ein paar Augenblicke zur Sicherheit und eilte dann zurück in meine Gemächer.
Dort angekommen, räumte ich hastig meine Gewänder wieder aus dem Schrank, warf
sie achtlos hinter mich und stand erneut vor der Rückwand des Schrankes.
    Hier war etwas, das es zu finden galt. Aber was?
Eine geheime Tür? Konzentriert tastete ich an der Wand entlang. Die Sonne war
am Untergehen und es blieb nicht mehr viel Licht zum suchen. Wenn ich es nicht
bald finden würde, müsste ich bis zum nächsten Tag warten und dieser Gedanke
schien mir unerträglich. Bao war zum Greifen nahe, das wusste ich!
    Nach unendlich langem Suchen entdeckte ich in der
oberen linken Ecke des Schrankes ein paar Holznägel, die leicht aus der Wand
herausragten. Die ersten ließen sich nicht hineindrücken, aber der

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