Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
in der rauen Berglandschaft angenehm warme Räume
haben würden. Damit hatte er, ohne es zu wissen, einen Schwachpunkt erzeugt,
den Bao sehr gut zu nutzen wusste…
Monate zuvor
Nachdem der Oberarchitekt die Order erhalten
hatte, nun doch ein Haus für die Frauen zu bauen, bat Bao ihn um eine Führung.
„Ich möchte dem Kanzler gerne auf dem Laufenden
halten“, erklärte er. „Oder wollt Ihr das lieber tun?“, fragte er
scheinheilig, aber um Ernsthaftigkeit bemüht.
„Oh, es wäre mir eine Ehre, wenn Ihr davon
berichten könntet“, antwortete der oberste Architekt und Bao merkte sehr wohl,
dass der Mann sich nur zu gerne um die Berichterstattung drückte. „Es gibt so
viel Arbeit, jetzt, da ein zusätzliches Gebäude gebaut werden muss.“
Bao ließ sich alles zeigen, stellte viele Fragen
und war voller Bewunderung für Bewässerung und Beheizung des Hauses der
Frauen .
„Es wird dem Kanzler sehr gefallen, zu hören, wie
viel Mühe Ihr Euch mit der Umsetzung gebt“, sagte er. „Ich persönlich bin sehr
beeindruckt, was hier alles geleistet wurde. Ihr seid wirklich mit der neuesten
Bau-Mode vertraut“, schmeichelte er dem Mann. „Sicherlich habt Ihr bereits die
Schnitzereien für die Türfassaden skizziert.“
Sein Gegenüber sah ihn fragend an, wollte sich
aber wohl keine Blöße geben – worauf Bao natürlich spekuliert hatte.
„Äh… Schnitzereien der Türrahmen…“, sagte der
oberste Architekt langsam. „Ja, natürlich. Im Süden macht man das jetzt so“,
schob er hastig nach.
Bao lächelte. Der Mann hatte angebissen… „Es hat
ja jede der Frauen ihren eigenen Charakter“, fügte er hinzu, „und es wird sie
sicherlich entzücken, eine individuelle Türe vorzufinden. Man denke nur an die
Jüngste der Frauen, die einen Narren an Pferden gefunden hat.“ Bao konnte sich
selbst kaum zuhören, so unerträglich fand er das Gespräch, aber er setzte dem
noch eines drauf und süßraspelte: „Wenn Ihr noch ein paar Ideen sucht für die
Motive, so könnte ich dem Kanzler schreiben, er möge sich Gedanken machen, was
er für passend halten würde.“
Der Architekt verneigte sich. „Vielen Dank. Das
wird nicht nötig sein. Wenn Ihr mich dann entschuldigt…“ Der Architekt
entfernte sich.
Mit Genugtuung stellte Bao wenige Wochen später
fest, dass die fertigen Rahmen geliefert und vor den Gebäuden abgelegt wurden.
In der Nacht schlich er sich auf die Baustelle und tauschte die Rahmen so aus,
dass der mit den Pferdeköpfen vor dem letzte Gebäudeteil lag. Jetzt musste er
nur noch warten, bis die Türen eingepasst und die Arbeiten am Haus der
Frauen abgeschlossen waren.
Als sich die Baumaßnahmen auf die
gegenüberliegende Seite erstreckten, war er sich sicher genug, nicht mehr gestört
zu werden.
Etwas abseits des Gebäudes hatte er begonnen, ein
Loch zu graben. Er hatte niemanden um Hilfe gebeten, denn keiner durfte von
diesem Projekt erfahren. Nicht einmal seinem engsten Vertrauten Ketùn hatte er
davon erzählt.
Bao hatte vor, einen unterirdischen Schacht bis zu
den Mauern an Min-Taos Gemächern zu graben. Unterirdisch wollte er in die
Fußbodenheizung eindringen und sich von hier aus über den Fußboden unterhalb
des Ankleidezimmers einen Zugang verschaffen. Er hatte genug Wissen erlangt, um
dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Da er nur in der Nacht graben konnte,
hatte es Wochen gedauert, bis er fertig war. Doch letzten Endes hatte er es geschafft
und hatte einen Geheimboden im Schrank der Gemächer eingebaut. Seine Geliebte
war hell von Verstand und er wusste, sie würde es herausfinden, wenn man sie
darauf aufmerksam machen würde. Die vielen intensiven Träume, die sie in den
letzten Jahren miteinander geteilt hatten, hatten ihn hoffen lassen, er könne
sie kontaktieren. Und so hatte er ihr wochenlang immer wieder die gleiche
Botschaft gesendet.
Sein Herz schlug ihm gegen die Brust, als er nun
das Seidentuch gefunden hatte anstelle des Thujenzweiges. Sie hatte es
tatsächlich geschafft! Heute würde er nachsehen, ob sie den Zweig bemerkt
hatte. Wenn sie schlau genug war, würde sie die Türe geöffnet lassen.
Als es schließlich dunkel genug war, schlich Bao
sich auf die andere Seite des Palastgeländes. Sein Weg führte ihn dabei durch
den Garten. Die neu gepflanzten Sträucher und Büsche waren schon hoch genug
gewachsen, um ihm Schutz zu bieten und so gelangte er unbemerkt an das andere
Ende des Gartens. Direkt im Anschluss an die Frauengebäude war ein
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