Die Geliebte des Kosaken
würde er kassieren, und das ohne auch nur einen einzigen Rubel an irgendjemanden abzugeben.
„Nun – auf jeden Fall tragen Sie Ihr Schicksal mit bemerkenswerter Haltung, Petrow“, bemerkte der Gefängnisdirektor Scharin, der sich nun beeilte, auch noch einige der leckeren Fischstücke auf seinen Teller zu bekommen, nachdem die Herren Offiziere sich bedient hatten.
„Was soll ich machen?“, meinte Oleg mit resigniertem Lächeln. „Es ist nun einmal mein Schicksal, und ich kann nicht davor weglaufen.“
„Das allerdings nicht“, bemerkte Polizeichef Orlow trocken und kratzte den letzten Stör vom Teller, „Sibirien ist Ihnen sicher, mein Bester. Aber da in letzter Zeit ja etliche Offiziere aus höchsten Kreisen unfreiwillig nach Sibirien gereist sind, werden Sie sich dort gewiss in bester Gesellschaft fühlen.“
Orlow spielte auf die Offiziersrevolte an, die vor zwei Jahren gegen Zar Nikolaus ausgeführt worden war. Der Zar hatte sie niedergeschlagen und zahlreiche Offiziere aus höchstem Adel nach Sibirien geschickt. Es gab inzwischen rührende Berichte darüber, dass einige der Ehefrauen ihren Männern in die Verbannung gefolgt seien, und Oleg erinnerte sich daran, dass Natalja ihm mit Tränen in den Augen davon erzählt hatte.
„Ich hätte es auch getan, Oleg“, hatte sie ihm allen Ernstes versichert, „bis ans Ende der Welt würde ich dir folgen, wenn dir ein solches Schicksal beschieden wäre.“
Sie war ein wenig schwärmerisch veranlagt, die Kleine. Er hatte sich sehr darüber amüsiert und gleich versucht, Kapital aus ihrer romantischen Stimmung zu schlagen. Doch Natalja Galugina war leider ein sehr wohlerzogenes Mädchen – sie hatte ihm zu seinem Ärger nur ein einziges Mal einen richtigen Kuss gewährt. Es war bei ihrem Abschied gewesen, sie fuhr zurück auf das Gut ihrer Großmutter, und er blieb in Petersburg zurück. Die Großmutter gönnte ihnen einige unbeaufsichtigte Minuten im Salon, eine Gelegenheit, die er sich nicht entgehen ließ, denn er wollte, dass seine hübsche Braut ihn während der Trennungszeit in bester Erinnerung behielt. Es war ein heißer Kuss gewesen, und er hatte belustigt gespürt, dass sie offensichtlich das erste Mal einen solchen Kuss bekam, denn sie zuckte zusammen, als seine Zunge in ihren Mund eindrang. Doch zu seiner Überraschung lernte die streng erzogene junge Dame schnell, denn nach dem ersten Schrecken begann sie zaghaft, seine Zärtlichkeiten zu erwidern, schmiegte sich eng an seinen Körper, umkreiste mit ihrer rosigen Zunge seine Lippen und brachte ihn bald derart in Wallung, dass er sich verflucht zusammenreißen musste, um nicht gleich über sie herzufallen.
Ja, sie war eine süße, verführerische Braut gewesen und noch dazu eine märchenhafte Partie. Er hatte die eifersüchtige Witwe, die noch dazu schon über 40 war, ein ums andere Mal zum Teufel gewünscht – doch leider wollte sie sich nicht dorthin begeben.
„Machen wir ein Spielchen“, schlug Sokolow vor.
„Mit dem größten Vergnügen.“
Man nahm die gefüllten Gläser mit und setzte sich an den Tisch, wo die Karten schon bereitlagen. Alle waren begeisterte Spieler – womit sollte man sich auch sonst an diesem tristen Ort die Zeit vertreiben? Es wurde selbstverständlich um Geld gespielt, und man hatte Oleg zu Anfang großmütig eine kleine Summe zur Verfügung gestellt, damit er mithalten könne, inzwischen hatte er sein Anfangskapital längst zurückerstattet und dazu einige hundert Rubel beisammen. Die armen Kerle hatte recht wenig Ahnung, und er nahm sie aus wie eine Weihnachtsgans.
„Schauen wir mal, ob Ihnen die Glücksgöttin wieder so hold sein wird wie die letzten Male, Petrow“, meinte Sokolow, während er die Karten austeilte.
„Das Glück und das Weib – traue keinem von beiden“, grunzte Scharin, als er seine Karten besah.
„Ihr Einsatz, meine Herren?“, forderte Oleg höflich.
Es war leicht, sie zu durchschauen und einzuschätzen. Oberst Jewremow war ein vorsichtiger Spieler und machte selten große Verluste, Sokolow dagegen spielte wagemutig, hatte aber nicht genügend Geschick, um zu gewinnen. Scharin war einfältig, der einzige ernstzunehmende Gegner war der Polizeichef Orlow, der gerissen spielte und die Fähigkeit besaß, die Gegner richtig zu beurteilen.
Das Spielchen zog sich bis spät in die Nacht, und Oleg musste sich anstrengen, um auch den anderen hin und wieder einen Gewinn zu gönnen, denn er musste vorsichtig sein. Die Herren waren
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