Die Geliebte des Normannen
beantwortet.
Wie froh sie war, ihm noch nicht erzählt zu haben, dass sie empfangen hatte. Denn sonst hätte er jeden Grund gehabt, sie zu meiden und seine Lust womöglich woanders auszuleben. Allein der Gedanke, dass er zu einer anderen Frau gehen könnte, ließ Mary erstarren. Sie glaubte, fast alles tolerieren zu können, nicht aber das. Nicht seine Untreue.
Ihre Gedanken wanderten zu Stephens Mutter, und sie wurde wehmütig. Sie konnte sich gut vorstellen, wie sich Lady Ceidre als junge Frau gefühlt haben musste – der Vater tot, die Brüder vertrieben und im Untergrund ihren Aufstand planend, und dann hatte sie sich in den Feind verliebt, in einen Mann, der noch dazu mit ihrer Schwester verheiratet war. Eine tragische, scheinbar aussichtslose Geschichte. Und dennoch war es zu einer wunderbaren Lösung gekommen.
Aus dem unehelichen sächsischen Mädchen war die Gräfin von Northumberland geworden, die Gemahlin ihres Liebhabers, die Mutter dreier starker Söhne und einer wunderschönen Tochter, und sie war mächtig und elegant und beliebt.
Auch Mary wünschte sich eine solche Zukunft. Selbst wenn es verrückt erschien. Es würde ja schon reichen, dachte sie, in Stephens Gunst zu stehen. Nie würde sie diese Art von Liebe von ihm bekommen. Aber – ihr Herz machte einen Sprung – sie würden Kinder haben. Oder zumindest eines. Vielleicht würde ihrer beider Liebe zu diesem Kind sie einander wieder näher bringen, vielleicht würde er sie eines Tages wirklich mögen.
Aber konnte das genug sein?
Als sie Stephens Schritte hörte, hielt sie die Luft an. Alle Hoffung, alle Überlegungen bezüglich ihrer möglichen Zukunft verließen sie in diesem Augenblick. Sie lag starr, reglos, wagte nicht zu atmen. Die Tür öffnete und schloss sich mit einem leisen Ächzen. Marys Schultern waren so verkrampft, dass es schmerzte. Sie hörte, wie er sich entkleidete. Zuerst das Schwertgehenk, das laut klapperte, als er es ablegte. Weitere Gürtel fielen offenbar achtlos zu Boden. Dann war das leise Rascheln von Stoff zu hören, als er seine Tuniken ablegte. Sie konnte ihn sich vorstellen, wie er barbrüstig in Stiefeln und Hosen dastand. Die Stiefel fielen mit dumpfen Lauten auf den Boden, noch einmal war das aufreizende Rascheln von Stoff zu vernehmen.
Was bin ich nur für eine Frau?, fragte sich Mary, als er neben ihr ins Bett schlüpfte. Er berührte sie nicht, doch sie konnte sich nicht entspannen. Sie war sich seiner zu sehr bewusst, ihr Körper pulsierte. Wie konnte er eine solche Wirkung auf sie haben? Ihr Leben war ein Scherbenhaufen, es musste dringend in Ordnung gebracht werden, doch das war ihr gleichgültig. Sie lag nur steif da und hoffte darauf, dass er sie berührte. Gleichzeitig wusste sie, dass er es nicht tun würde.
So war es. Lange, langsame, quälende Minuten verstrichen. Mary fragte sich, ob er dachte, dass sie schlafe. Sie glaubte nicht, dass er ihr Beachtung schenken würde, nicht unter den gegebenen Umständen. Es wurde ihr klar, dass er nicht beabsichtigte, sie zu berühren. Er mied sie, seinen zuvor geäußerten Worten zum Trotz. Lieber Gott, wenn sie nicht wenigstens Leidenschaft miteinander teilten, dann hielt sie gar nichts mehr zusammen, dann gab es keine Hoffnung mehr! Und alles verzweifelte Wünschen würde ihn nicht dazu bewegen, sich ihr zuzuwenden!
Mary war fassungslos. Konnte sie ihm praktisch über Nacht vollkommen gleichgültig geworden sein? Konnte die Heimtücke, die er empfand, das leuchtende Feuer ihrer Leidenschaft zum Erlöschen gebracht haben?
Sie überlegte in wahnwitziger Eile. Leidenschaft war die uralte Waffe der Frauen. Für Frauen konnte Leidenschaft ein Neuanfang sein oder zumindest eine Form der Intimität, vielleicht die einzige, die sie teilen konnten. Und Verführung war eine zeitlose Methode der Wiedergutmachung. Stephen würde sich ihr doch nicht verweigern, oder? Konnte sie ihn nicht verführen?
In einer Mischung aus Verzweiflung und Tapferkeit wandte sich Mary ihm zu. Er lag auf der Seite, das Gesicht von ihr abgewandt. Mary fürchtete seine Zurückweisung, aber sie berührte trotzdem seine Schulter.
Er war steif wie ein Brett.
»Was tut Ihr?«, brummte er.
Mary wusste nichts zu sagen, und so ließ sie ihre Hand über seinen massigen Bizeps gleiten, presste dann ihren Körper an seinen, ihre Brüste an seinen Rücken, die Hüften an seinen Po. Und sie berührte mit den Lippen die empfindliche Stelle in seinem Nacken, gleich unterhalb seines Ohrs.
Er zuckte
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