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Die Geliebte des Normannen

Die Geliebte des Normannen

Titel: Die Geliebte des Normannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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nicht. Sie war mit dem Prinzen allein. Für einen kurzen Moment spürte Mary, wie eisige Panik sie erfasste.
    Nein, dachte sie wirr, sie waren nicht allein – auch die Wachen befanden sich auf der Brustwehr. Sie erblickte die beiden Männer und verspürte eine gewisse Erleichterung.
    Henry erriet ihre Gefühle.
    »Keine Angst, Mylady, Euer Ruf ist nicht gefährdet. Wir stehen unter Aufsicht.« Wie gewöhnlich lag ein trockener Spott in seinem Ton.
    Mary brachte ein Lächeln zustande.
    »Ich habe keine Angst, Mylord. Warum sollte ich?«
    Henry lächelte ebenfalls und lehnte sich an die Mauer, ihr gegenüber, den Blick auf sie geheftet. Mary verspannte sich, das Glühen in seinen Augen gefiel ihr nicht.
    »Stellt Euch meine Überraschung vor«, sagte er leise, »ich gehe einen Moment an die frische Luft und finde Euch hier.«
    Es war ein unglücklicher Zufall, doch das sagte Mary nicht. Sie zog den Umhang noch fester um sich.
    »Ist Stephen zu Bett gegangen?«
    »Nein«, murmelte Henry mit einem Lächeln, das wahrscheinlich schon manches Frauenherz hatte schneller schlagen lassen, »er ist unten und beobachtet das Kaminfeuer.«
    »Vielleicht sollte ich zu ihm gehen.« Falls Mary Zweifel gehabt haben sollte, vertrieb Henrys Lächeln sie nun alle. Er fand sie tatsächlich attraktiv, und er verhielt sich wie ein Raubtier auf der Pirsch. Sie glaubte sich nicht in wirklicher Gefahr, nicht hier, in der Burg ihres Gemahls, aber sie mochte nicht, wie er sie ansah. Ihr missfiel sein Benehmen, es war nicht nur raubtierhaft, sondern auch vergnügt. Er hatte seinen Spaß daran, mit ihr zu spielen. Sie wollte an ihm vorbeigehen, doch er hielt sie fest.
    »Habt Ihr Angst vor mir, Mary?«, fragte er mit siegesgewisser, belustigter Miene.
    »Lady Mary«, korrigierte sie ihn atemlos.
    Er ließ sie nicht los. Sie konnte es nicht glauben. Aber sie tat, als sei nichts Ungehöriges im Gange.
    »Nein, weshalb sollte ich?«
    »Ich glaube, Ihr verstellt Euch.« Er lachte belustigt auf und musterte sie genau. »Ihr habt anscheinend schlecht geschlafen. Ist alles in Ordnung?«
    »Natürlich!«, log sie und versuchte, sich aus seinem Griff zu lösen, doch er gab nicht nach.
    Sie spielten ein sorgfältig inszeniertes Spiel. Mary wollte nicht offen protestieren. Im Augenblick versteckten sie sich beide hinter Schicklichkeit und Anstand. Henry beherrschte die Regeln perfekt und war sich auch ihrer Angst vor dem Rückzug bewusst. Er schützte Höflichkeit vor, tat, als liege seine Hand ganz zufällig auf ihrer, obwohl seine Absicht ganz und gar nichts mit Zufall zu tun hatte. Er wusste, dass sie ihn nicht auffordern würde, sie loszulassen und dadurch diesen Austausch von Höflichkeiten als eine Heuchelei zu entlarven, die sie beide offener Feindseligkeit ausgesetzt hätte.
    »Als ich Euch das letzte Mal sah, Mary, habt Ihr gestrahlt. Selten habe ich eine schönere Frau gesehen. Es war klar, dass die Ehe – und Stephen – Euch guttat.«
    Mary konnte nicht lächeln. Er sprach in der Vergangenheitsform.
    »Wie erschöpft Ihr hingegen nun erscheint. Wie besorgt. Gefällt Euch Stephen nicht mehr?«
    Mary konnte sich nicht mehr länger zurückhalten. »Was für eine Frage! Natürlich gefällt er mir!«
    Henry lachte.
    »Ich meine nicht im Bett, meine Liebe. Schaut nicht so schockiert. Ich kenne Stephen schon seit unserer Kindheit, er war sechs, ich nur ein Jahr älter. Wir haben uns schon öfter zusammen mit Mädchen vergnügt. Ich weiß also, wozu er fähig ist.«
    Mary gab jede Rücksicht auf.
    Sie riss sich von ihm los.
    »Wie könnt Ihr es wagen!«, zischte sie. Jetzt wusste sie, dass Henry sich vorgestellt hatte, wie Stephen sie liebte, und das löste Wut, Entsetzen und Empörung in ihr aus. Sie kam sich vor, als wäre er tatsächlich in ihrem Gemach gewesen und habe sie und Stephen beobachtet. »Wie könnt Ihr es wagen, in unsere Privatsphäre einzudringen!«
    »Habe ich das getan?« Er lachte noch immer und spielte den Unschuldigen. »Was habe ich denn getan, Mary? Ist es, weil ich Stephen gut kenne? Weil ich ihn in mancher Hinsicht sogar besser kenne als Ihr?«
    Mary sagte nichts, aber sie kochte vor Wut.
    »Hat er Euch verziehen, Mary? Wird er es tun? Ich glaube nicht.« Er grinste. »Ihr wart töricht, ebenso wie er. Ich kann nicht glauben, dass er Euch erlaubte, mit Eurem Bruder allein zu sein. Das braucht Euch nicht zu überraschen. Ich weiß alles, was in diesem Reich von Bedeutung ist.«
    »Habt Ihr bei uns einen Spion?« Mary stockte

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