Die Geliebte des Normannen
sie hatte ihm nicht geglaubt. Nun wandte sie sich an einen der kräftigen Männer, die neben ihrem müden Ackergaul einherschritten.
»Er muss an die fünfhundert Leute versammelt haben, ein Dutzend Clans! Ich sehe die Farben der Douglas, der Macdonalds und sogar der Fergusons! Die haben uns nie unterstützt, so lange ich zurückdenken kann!«
Der große Schotte, mit dem sie sprach, grinste ihr schalkhaft zu.
»Er hat sich eben mächtig angestrengt, Mädel. Dieses Mal gewinnt er, da könnt Ihr sicher sein.«
Dessen war sich Mary nicht sicher, doch nach einer Niederlage sah es nicht unbedingt aus. Was, fragte sie sich, hatte Malcolm den Clans geboten, um ihre Unterstützung zu gewinnen? Und was um Himmels willen würde geschehen, wenn diese große schottische Armee auf die der Normannen traf? Angst stieg in ihr hoch. Das Gemetzel würde entsetzlich sein, der Verlust an Menschenleben unvorstellbar. Nun verstand sie, weshalb sich Alnwick auf eine Belagerung vorbereitete. Malcolms Truppen waren zahlreich und gefährlich genug, um ein derart furchterregendes Ereignis möglich erscheinen zu lassen.
Eigentlich war nicht die Zeit, an sich selbst zu denken, doch Mary konnte nicht umhin, plötzlich einen Kloß im Hals zu spüren. Sie stellte sich vor, zusammen mit den anderen Frauen in Alnwick zu sitzen, während der Turm beschossen und die Mauern mit schweren Rammböcken bestürmt wurden.
Würde es dazu kommen, wenn sie es nicht schaffte, Malcolm vom Krieg abzubringen? Würde ihr Vater versuchen, Alnwick, das Zuhause ihres Gemahls, zu zerstören, selbst wenn sie innerhalb der Mauern weilte?
Sie durfte sich nicht so bedrückenden Gedanken hingeben. Mary blinzelte und blickte auf die zahllosen Zelte, die sich vor ihr über die sanften grünen Hügel verteilten. Malcolms Lager stand auf einer kleinen Erhebung; es war nicht größer oder prachtvoller als die anderen, und Mary erkannte ihn sofort. Er kauerte vor seinem Lagerfeuer, umgeben von vielen mächtigen Lords und dazu Edward, Edmund und Edgar. Mary vergaß ihre Begleiter und drängte das alte Pferd vorwärts. Edgar entdeckte sie als Erster. Er starrte sie zuerst schockiert an, dann kam er mit einem Freudenschrei auf sie zugerannt. Mary stieg ab und sank in seine Arme. Sie war froh zu sehen, dass er sie beide wieder gebrauchen konnte.
Er umarmte sie jedoch nicht, sondern schüttelte sie heftig. »Bei allen Heiligen! Was machst du hier, Mary? Warum bist du nicht bei deinem Gemahl?«
»Ich freue mich auch sehr, dich zu sehen«, konterte sie verdrießlich und umarmte ihn. Aber er schob sie von sich weg; Edgar hatte seine Zuneigung nie zur Schau gestellt, da er dies als unmännlich erachtete.
»Ich hoffe, du hast einen guten Grund, um hier zu sein und nicht in Alnwick, wo du hingehörst!«, sagte er missbilligend.
Sie betrachtete sein junges, ernstes Gesicht. Edgar war ihr gegenüber nie ablehnend gewesen; sie hatten ihr ganzes Leben lang zusammen der Autorität getrotzt und sich gegenseitig verteidigt. Mary erkannte, dass auch er womöglich dachte, sie würde Stephen verraten.
»Ich bin nur gekommen, um mit Vater zu sprechen. Ich will so schnell wie möglich nach Alnwick zurückkehren.«
Er blickte sie mit offenem Mund an. Seine Miene war so bubenhaft, so sehr wie der junge Edgar, dass Mary lächeln musste.
Er wollte etwas sagen, doch nun kamen ihm Edward und Edmund zuvor.
»Mary?« Auch Edward war skeptisch.«Wie zum Teufel kommst du denn hierher?«
»Wichtiger noch, weshalb ist sie hier?«, fügte Edmund hinzu.
Mary bemerkte Edwards sorgenvolle Miene und Edmunds Misstrauen. »Ich muss mit Vater reden.«
»Bringst du eine Nachricht von deinem Gemahl?«, fragte Edmund argwöhnisch. »Versteckt sich der mächtige Bastard jetzt hinter einem Weiberrock?«
Mary ballte wütend die Fäuste.
»Er würde sich niemals verstecken, vor niemandem, und schon gar nicht vor solchen Kerlen wie euch!« »Jetzt zeigst du dein wahres Gesicht, Schwester«, knurrte Edmund.
Sie errötete.
Ihre Verteidigung Stephens war spontan gewesen, und durchaus nicht diplomatisch. »Ich bringe keine Nachricht von Stephen. Er weiß nicht, dass ich hier bin.«
Edmund zog zweifelnd eine Braue hoch. Edwards Blick war besorgt. »Lieber Gott, Mary, was soll das? Du hättest nicht kommen dürfen. Heute gab es schon die ersten Scharmützel; wir haben bereits drei Männer verloren, und die Schlacht hat noch gar nicht begonnen. Du hättest in eines verwickelt werden können!«
»Ich musste
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