Die Geliebte des Normannen
heruntergelassen. Ein Dutzend Schotten ritten mit lautem Hufgetrappel hinter ihrem jun en Lord über die Brücke.
Einer seiner Cousins bemerkte sie sofort.
»Doug, es sieht so aus, als hätten wir eine Bettlerhure vor der Tür liegen.«
Doug Mackinnon zuckte die Achseln und ritt weiter. Doch dann sah er eine Strähne goldblondes Haar, Haar, das er nur von einer Frau kannte. Er wirbelte sein Pferd herum.
»Nein, das ist unmöglich«, sagte er zu sich. Er ritt zu dem armseligen Häuflein Mensch und stieg ab, das schallende Gelächter und die groben Bemerkungen seiner Männer ignorierend.
Plötzlich schlug ihm das Herz bis zum Hals. Er drehte das arme Ding zu sich und bekam vor Schreck große Augen. Doug nahm Mary auf die Arme. Als sich ihr Umhang öffnete und er ihren dicken Bauch sah, schrie er auf.
»Sofort einen Doktor!«, befahl er in Panik. »Und eine Hebamme. Und ... schickt eine Nachricht an Stephen de Warenne.«
Dann machte er kehrt und lief mit Mary auf den Armen zur Burg zurück.
Mary wachte auf, weil jemand ihr heiße Brühe einflößte. Der Raum drehte sich vor ihren Augen, und ab und zu zitterte sie noch immer krampfartig, obwohl ein Feuer wohlige Wärme verbreitete und sie in viele Decken eingehüllt war. In ihrem Inneren wühlte ein Schmerz. Sie erbleichte und erstickte einen Schrei.
»Mein Herz«, murmelte eine bekannte Stimme, »jetzt wird alles gut.«
Mary blinzelte. Allmählich konnte sie wieder deutlich sehen. Der Mann, der bei ihr auf dem Bett saß und ihre Hand hielt, wurde erkennbar. Überrascht stellte sie fest, dass es Doug Mackinnon war, und war erst einmal verwirrt.
»Ich habe dich vor dem Wachturm auf dem Boden liegend gefunden«, sagte Doug leise und streichelte ihr Haar. »Es ist vorüber, Mary. Was immer dir passiert ist, es ist jetzt vorbei.«
Einen entsetzlichen Augenblick lang erinnerte sich Mary daran, dass sie vor Duncan und seinen Wolfshunden geflohen war. Sie schrie auf.
»Duncan hat mich entführt. Er hatte mich gefangen genommen, Doug.« Tränen füllten ihre Augen, und sie wollte seine Hände ergreifen, doch ihre Hände waren verbunden. Ihre Stimme war so heiser, dass man sie kaum hörte; Doug musste sich zu ihr beugen, um sie zu verstehen. »Er wollte mein Kind für immer als Geisel behalten, um sich Stephens Unterstützung zu sichern. Mein eigener Bruder!«
»Dieser Bastard«, fauchte Doug. Aber die Nachricht erleichterte ihn. Er hatte kürzlich ein Gerücht gehört, das besagte, Stephen de Warenne würde auf der Suche nach seiner Gemahlin das ganze Land auf den Kopf stellen. Wie viele andere hatte auch Doug mitbekommen, dass Mary in dem Krieg letzten November um der Sache Schottlands willen zum Feind übergelaufen war. Er war deshalb sehr beunruhigt gewesen, hatte er doch geglaubt, sie habe ihren Gemahl so gehasst, dass sie erneut vor ihm geflohen sei, denn das war der naheliegende Schluss gewesen, den er daraus gezogen hatte.
Doug konnte nicht anders, als Mary zu lieben, und auch wenn sie mit einem anderen verheiratet war, wollte er sie nicht unglücklich sehen. Und der Zustand, in dem sie sich befand, als er sie entdeckte, hatte ihn noch mehr beunruhigt, weil er dachte, wenn sie in diesem Zustand floh, dann müsse ihre Ehe gänzlich unerträglich sein. Umso mehr war er nun erleichtert, als er die Wahrheit zu hören bekam.
Aber vielleicht war Doug insgeheim auch etwas bestürzt. Er bemerkte kaum, dass er Marys Haar liebkoste. Ihr Anblick, hochschwanger und so schwach, weinend in seinem Bett, reichte aus, um das alte Sehnen wieder in ihm wachzurufen, auch wenn er noch so sehr versuchte, solche Gefühle zu ignorieren.
Er schob derart störende Gedanken sofort beiseite. Er war zornig auf Duncan und würde diesen König niemals unterstützen, den er wie viele Schotten mehr als Engländer empfand und der ohnehin nichts weiter war als die Marionette von William Rufus.
»Wo ist Stephen?«, fragte Mary. »Ich brauche ihn so sehr. O Gott, ich brauche ihn so sehr!« Ein neuerlicher Schmerz fuhr durch ihren Körper und ließ sie aufschreien.
Doug spürte ein Stechen tief in seinem Herzen, und in diesem Augenblick erkannte er, dass er, so edelmütig und selbstlos er auch hatte sein wollen, in seinem Innersten immer noch Hoffnung gehegt hatte. Und dass diese Hoffnung nun endgültig und unwiderruflich nichtig geworden war durch Marys offenkundige Liebe für ihren Gemahl.
»Stephen«, flüsterte sie noch einmal, doch sie blickte dabei nicht auf Doug, sondern hinter
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