Die Geliebte des Normannen
Spiel mit Sicherheit beenden und sich als Lady von hoher Geburt zu erkennen geben. Danach würde er sie ihres Weges ziehen lassen, unberührt und unbeschadet, wie er es versprochen hatte. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, sie gehen zu lassen, ohne mit ihr zu schlafen, doch wenn sie wirklich eine Hochgeborene war, dann würde er es tun. Und in drei Monaten die Erbin von Essex ehelichen.
Dieser Gedanke erfüllte ihn jedoch nicht mit Freude. Nicht mehr.
Einmal mehr musste Stephen verärgert feststellen, dass Mairi sich ihm widersetzt hatte, denn sie erwartete ihn nicht in seinem Gemach, wie er es ihr aufgetragen hatte. Er zog sich bis auf die Unterhose aus, sodass das Spiel seiner starken Rückenmuskeln, der kräftigen Arme mit dem mächtigen Bizeps und sein flacher, steinharter Bauch zu sehen waren; ein Körper, der von Kampf und vom jahrelangen ausdauernden Umgang mit Schwert und Lanze gezeichnet war.
Er war mehr als verärgert. Selbstzweifel beunruhigten ihn, und seine plötzlich gemischten Gefühle hinsichtlich seiner Heirat mit Adele Beaufort lösten eine heillose Verwirrung in ihm aus.
Wie konnte eine Gefangene, und sei sie noch so schön, solch ungewohnte Empfindungen in ihm wachrufen?
Stephen fühlte Wut in sich aufsteigen. Es war sicherer, wütend auf sie zu sein. Schon jetzt kochte das Blut in ihm, und dabei hatte sie noch nicht einmal sein Gemach betreten. Zum ersten Mal fragte er sich, ob er wirklich die nötige Selbstdisziplin aufbringen konnte, sich ihren Körper zu versagen. Das aber musste er tun, sobald sie sich zu erkennen gab. Er schärfte sich ein, dass er keine andere Wahl hatte.
Seine Schwester trat ein, ohne anzuklopfen. Er hieß ihre unhöfliche Störung seiner beklemmenden Gedanken willkommen, wenngleich es ihn nicht gerade begeisterte, dass sie ihn derart unbekleidet zu Gesicht bekam.
»Klopf gefälligst an, Isobel«, tadelte er sie, drehte sich um und bedeckte sich mit seinem Unterkleid.
Mit ihren zehn Jahren war sie frühreif und für ihr Alter sehr klug. Er befürchtete, sie könnte ihn eines Tages bei einem Tun ertappen, das nicht für die Augen einer Lady bestimmt war, schon gar nicht für die einer so jungen.
Sie streckte ihm die Zunge heraus.
»Wieso denn?«
Stephen verkniff sich ein Lächeln. Er hatte Isobel seit seiner Rückkehr noch nicht besucht. Sicher hatte sie im Burghof wieder einmal etwas angestellt; sie war eine ewige Unruhestifterin.
»Weil anklopfen höflich ist.« Er versuchte, eine düstere Miene aufzusetzen. »Was ist das überhaupt für eine Begrüßung?«
Strahlend flog sie in seine Arme; er drückte sie und konnte sich dabei eines Gefühls von Stolz nicht erwehren. Sie war jedermanns Liebling, vor allem der seine. Sein Schwesterchen war ein schlaues Ding, schon jetzt zu hübsch und noch nicht versprochen.
Stephen wusste, dass Rolfe den rechten Augenblick abwarten wollte, aber bald würde er einen Gemahl für sie ausfindig machen und für die de Warennes eine weitere mächtige Allianz schmieden. Stephen glaubte, dass ihr Vater sie wahrscheinlich mit Henry Beauclerc zu verheiraten gedachte, dem jüngeren Bruder des Königs. Der Prinz hatte nur wenig Land, besaß aber viel Silber, denn sein Vater, der Eroberer, hatte seinem ältesten Sohn Robert die Normandie und William Rufus England gegeben, sodass für den Jüngsten nur der große Reichtum übrig blieb. Stephen kannte ihn gut von den langen Jahren, die er am Hof des Eroberers verbracht hatte, wusste aber dennoch nicht so recht, ob er diese Verbindung gutheißen konnte.
Er blickte sie liebevoll an.
»Wo warst du denn heute Abend?«
»Ach, überall«, erwiderte sie mit einem raschen und geheimnisvollen Lächeln. »Warum sollte ich anklopfen? Du bist doch allein. Ich habe an der Tür gelauscht, um sicherzugehen.«
Er bekam große Augen. Sie trat kichernd einen Schritt zurück.
»Steph, ich bin kein Baby mehr«, bemerkte sie arrogant. Sie war die einzige Person, die es wagte, seinen Namen zu verkürzen. »Ich weiß, was du nachts mit den Mädchen machst.«
Er traute seinen Ohren nicht und schwankte, ob er lachen oder sie ausschimpfen sollte.
»Was meinst du denn, was ich mit den Mädchen mache, meine Kleine?«
Sie warf ihm einen wissenden Blick zu.
»Vater sagt, wenn auf Alnwick noch einmal ein uneheliches Kind auf die Welt kommt, dann lässt er dich die Peitsche spüren, als ob du ein zwölfjähriger Junge wärst!«, erklärte sie schnippisch.
»Ah, sagt er das«, stieß er mit einem
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