Die Geliebte des Normannen
eine dunkle Rötung, was Marga ret sagte, dass er zornig war und seine Gefühle kaum beherrschen konnte.
»Was ist es? Was habt ihr gefunden? Mary kann doch nicht einfach verschwunden sein!«
Edmund wirbelte herum. Groß und schlank, war er fast das Ebenbild seines Vaters, nur sein Gesicht war nicht so zerfurcht wie Malcolms.
»Zeig es ihr«, forderte er ihn auf. »Damit wir Gewissheit bekommen.«
Edward, der älteste der Brüder, hielt ihn zurück.
»Lass Mutter in Frieden«, warnte er. »Es hat keinen Sinn, sie noch mehr zu beunruhigen.«
»Mit dieser Einstellung erreichst du gar nichts!«, brauste Edmund auf.
Er war ein Jahr jünger als Edward und ähnelte Malcolm am meisten. »Willst du Mary finden oder nicht?«
»Natürlich will ich das!«
»Hört auf!«, fuhr Margaret dazwischen; ihre übliche Ruhe war vollkommen dahin. »Wie könnt ihr jetzt streiten! Malcolm! Sag es mir!«
Malcolm ergriff ihre Hände.
»Gestern waren normannische Soldaten hier, Margaret, weniger als eine Meile von Liddel entfernt.«
Margaret stockte der Atem.
»Ihr glaubt doch nicht etwa ...«
»Zeig es ihr, Vater«, drängte Edmund. »Frag sie, ob es Mary gehört.«
Edward schob sich an Edgar vorbei und schlug Edmund mit der Faust auf die Schulter, doch dieser war stärker, so dass der Hieb ihn kaum aus dem Gleichgewicht brachte. Sofort kam Edgar Edward zu Hilfe, bereit, auf Edmund loszugehen – ein Brüllen von Malcolm erstickte jede weitere Handgreiflichkeit im Keim.
Malcolm holte ein Stück nassen, weißen Stoffs hervor. Edward versuchte zu protestieren. Edgar, der kaum ein Jahr älter war als Mary, wurde aschfahl. Malcolm ignorierte seine Söhne; er faltete den Stoff sorgfältig auseinander und beobachtete dabei seine Gemahlin.
»Könnte das ein Stück von Marys Unterhemd sein?« Margaret bekam große Augen und atmete tief ein. »Wo habt ihr das gefunden?«
»Wo die Normannen ihr Lager hatten«, antwortete Malcolm grimmig.
Margaret schwankte.
Malcolm und Edgar fingen sie gleichzeitig auf.
»Keine Angst, Mutter«, sagte Edward tröstend, wenngleich mit steinerner Miene. »Wir finden sie und bringen sie dir zurück, so schnell es geht.«
»Sobald wir diesen Bastard gefunden haben«, ergänzte Edgar düster und mit einem raschen Blick auf den schweigsamen Mann, der noch immer in die Flammen starrte. Dem Alter nach stand Edgar Mary am nächsten; schon als Kinder waren sie unzertrennlich gewesen, und noch heute war er, wenn er nicht gerade kämpfte, gewöhnlich bei Mary zu finden. »Wenn sie ihr etwas angetan haben ...«
»Ich bringe sie alle um, jeden einzelnen von diesen verräterischen Normannen!«, brüllte Malcolm. »Jeden einzelnen!«
»Lass uns gehen, Vater«, drängte Edgar. Seine grünen Augen funkelten. »Wenn wir die Nacht durchreiten, können wir im Morgengrauen vor Alnwick sein.«
»Alnwick?«, fragte Margaret. »Northumberland?«
»Seine Truppen wurden heute Morgen in unserer Gegend gesehen«, erwiderte Malcolm harsch. »Es war der uneheliche Bastard, nicht der verdammte Vater, denn der ist noch immer am Hof seines verderbten Königs. Und wer sonst würde es wagen, unsere Tochter zu entführen – wer sonst?«
In letzter Zeit, seit der Graf so oft fort war, hatte sich Stephen de Warenne zum Dorn in Malcolms Auge entwickelt.
Margaret war bleich wie der Tod. »Meine arme Mary, lieber Herr Jesus, beschütze sie«, betete sie. »Bitte lass sie unbeschadet zu uns zurückkehren!«
»Es ist meine Schuld«, sagte plötzlich der Mann vor der Feuerstelle und drehte sich zu ihnen um. Sein rostbraunes Haar leuchtete im Schein der Flammen. »Ohne meine Verspätung wäre ich bei ihr gewesen. Und ich hätte sie niemals in de Warennes Hände fallen lassen.«
Seine Qual zeichnete sich in den erschöpften Zügen seines Gesichts ab. Margaret eilte zu ihm, entschlossen, ihn ungeachtet ihres eigenen Schmerzes zu trösten.
»Es ist nicht deine Schuld, Doug. Mary ist nicht so dumm, dass sie allein außerhalb der Mauern herumspazieren würde.« Tränen füllten ihre Augen. »Immer haben wir ihr eingeschärft, sich zu betragen, wie es sich für eine Prinzessin geziemt. Wenn jemand schuld daran ist, dann ich, weil ich es nicht geschafft habe, ihr den Kopf zurechtzurücken.«
»Es ist auch nicht deine Schuld, Margaret«, sagte Malcolm, nunmehr etwas ruhiger. »Es ist allein Marys Schuld, und wenn ich sie in die Finger bekomme, wird sie eine Woche lang nicht mehr sitzen können!«
Neuerlicher Zorn flammte in ihm
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