Die Geliebte des Normannen
auf.
»Wie konnte sie bloß so dumm sein!«
Er wandte sich Doug Mackinnon zu. »Und du bist ebenso zu tadeln, nämlich dafür, dass du sie zu einem Stelldichein überredet hast. Mit dir werde ich mich befassen, sobald ich mit ihr fertig bin.«
Doug sagte nichts, aber sein Mund zeigte seine Anspannung.
»Malcolm, wir müssen herausfinden, wo sie ist«, weinte Margaret.
»Keine Angst, Mutter.« Edward ergriff tröstend ihre Hand. »Wir sind sicher, dass es der Bastarderbe von Northumberland war. Wir haben zwei weitere Stücke des Leinens gefunden; dann wurde es zu dunkel, um den Weg weiter zu verfolgen, aber sie ritten ganz offenbar nach Nordosten. Und wer außer unserer Mary wäre so kühn, diese Zeichen zu hinterlassen? Zumindest ihr Geist ist nicht gebrochen.«
Margaret sank auf ihren Stuhl. Ihr Herz pochte rasend schnell, sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe. »Ich muss Maude kommen lassen«, murmelte sie, an ihre fromme jüngere Tochter denkend, die bereits Novizin in der Abtei von Dunfermline war. »Ich brauche Maude, Malcolm!«
Die bittere Wahrheit war jedoch, dass sie Mary brauchte; dass sie wissen musste, ob ihr Liebling, die eigenwillige Mary, unversehrt war.
Malcolm ergriff ihre Hände.
»Ich werde heute Abend einen Mann losschicken; morgen wird Maude bei dir sein.«
Margaret betrachtete ihn dankerfüllt. Er war ein harter, ein schwieriger Mann, aber sie wusste, dass es keine leichte Aufgabe war, König der Schotten zu sein. Sie hatte ihn für seine Fehler und Mängel nie getadelt. Und er hatte sie noch nie im Stich gelassen, nicht ein einziges Mal während ihrer langen Ehe. Sie wusste, dass Maudie am Morgen bei ihr sein würde, und wenn irgendjemand Mary retten konnte, dann ihr Gemahl.
»Wir vergeuden unsere Zeit«, rief Edgar. »Wir wissen doch, dass es de Warenne war, also lasst uns ihn sofort belagern!«
»Rede kein dummes Zeug«, hielt Edmund ihm entgegen. »In der Dunkelheit sehen wir nichts, und eine Belagerung hat keine Eile – wenn eine Belagerung überhaupt das richtige Mittel ist.« Er klang skeptisch.
»Du würdest Mary wohl gern dort verkommen lassen, was?«, schrie Edgar ihn an.
»Das habe ich nicht gesagt«, hielt Edmund eisig dagegen. »Niemand lässt Mary verkommen«, erklärte Edward mit einem kalten Blick auf Edmund.
»Hört auf! Ich halte dieses Gezänk nicht aus!«
Alle wandten sich Margaret zu. »Es wird kein Krieg geführt«, rief sie und stand auf. Sie gab nur selten Befehle und mischte sich nie in politische Angelegenheiten ein, doch jetzt war ihre Entschlossenheit so stark, dass sie zitterte.
»Malcolm – du wirst zahlen, was immer Rolfe de Warenne an Lösegeld fordert. Du musst!«
»Du solltest dir keine Sorgen machen«, sagte Malcolm. »Meine Liebe, willst du nicht nach oben gehen und dich ausruhen?«
Obwohl Margaret wusste, dass sie in dieser Nacht kein Auge zutun würde, gehorchte sie. Es herrschte Stille, bis sie den Saal verlassen hatte.
»Was hast du vor?«, fragte Edward schließlich angespannt.
Malcolm lächelte frostig.
»Ich werde tun, was zu tun ist, mein Sohn. Hör mir gut zu. Wir können aus dieser Sache einen Nutzen ziehen, und genau das habe ich vor.«
Die ersten Regentropfen fielen; mit lautem Platschen schlugen sie auf die Zinnen von Alnwick.
In der Burg stand Mary vor der offenen Tür von Stephens Gemach. Sie hatte nicht in Erwägung gezogen, sich seinem Befehl zu widersetzen, obwohl sie bei dem Gedanken an das Bevorstehende vor Angst fast gelähmt war. Er trug lediglich eine Unterhose aus Leinen, und diese mangelhafte Bekleidung war Bestätigung genug. Ihr Gesicht, blasser als das kostbarste Elfenbein, brannte von einer plötzlich aufwallenden Hitze.
Mary wandte den Blick von seinen Schenkeln mit der eng anliegenden Hose ab.
Er musterte sie mit einem ausdruckslosen Blick. Das Geräusch des Regens, der inzwischen heftig auf das Dach trommelte, erfüllte die Stille des Raums.
Mary stand mit dem Rücken zur offenen Tür. Sie blickte entsetzt um sich, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hatte überlegt, sich ihm zu erkennen zu geben.
Obwohl ihr weniger als eine Stunde Zeit geblieben war, ihre Lage zu überdenken, hatte sie angesichts ihrer wachsenden Panik so sorgfältig wie nur möglich über ihren Alternativen gebrütet.
Und bis zu der Minute, in der sie in dieses Gemach gekommen war, konfrontiert mit ihrem Feind und dessen offensichtlichem Verlangen, hatte sie eine verzweifelte Hoffnung gehegt. Sie würde eine Entehrung nicht
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