Die Geliebte des Normannen
vertraute, und nach Hastings wuchs sein guter Ruf noch.
Schon bald hatte er für seine Treue und Tapferkeit Aelfgar verliehen bekommen.
Mit der Zustimmung und Ermutigung des Eroberers dehnte Rolfe seine Grenzen allmählich weiter nach Norden und Westen aus, bis sein Gebiet die derzeitige Größe erreicht hatte – und er seine jetzige Machtfülle.
Stephen war sich bewusst, dass eines Tages alle Macht, die Northumberland verkörperte, in seinen Händen liegen würde. Er war zwar unehelich geboren – seine Eltern hatten nicht heiraten können, ehe die erste Gemahlin seines Vaters verstarb –, doch er war zum Erben bestimmt worden. Das bedeutete eine ungeheure Verantwortung, eine schwere Bürde, die ihm bereits im zarten Alter von sechs Jahren auferlegt worden war, als er an den Königshof gesandt wurde, um dort erzogen zu werden. Doch er hatte die Pflichterfüllung gegenüber seinem Vater und Northumberland nie in-frage gestellt, weder damals noch heute, noch irgendwann in all den Jahren dazwischen. Ein Mann tat, was er tun musste – immer.
Diese Lektion lernte er bereits an jenem lange zurückliegenden Tag, an dem er mit den Männern des Königs von zu Hause fortritt, um fast ein Jahrzehnt nicht mehr dorthin zurückzukehren. Die Heirat mit Adele Beaufort, der Erbin von Essex, war nur eine weitere Pflicht, die er zu erfüllen gedachte.
Sie waren schon seit zweieinhalb Jahren verlobt; nun war sie sechzehn, und an Weihnachten sollten sie endlich vermählt werden.
Nach Rolfes Willen hätte die Ehe schon vor zwei Jahren stattfinden sollen, doch Adeles Vormund hatte nicht eingewilligt. Sie würde für Stephen ein großes Anwesen in Essex und, was noch wichtiger war, eine große Menge Silbermünzen in die Ehe einbringen. Und Geld war etwas, das seine Familie immer brauchte. Im Gegensatz zu den meisten der anderen großen Magnaten des Königs musste Northumberland nämlich die schwere Bürde tragen, Englands nördlichste Verteidigungsanlagen zu unterhalten, und das war äußerst kostspielig.
Andererseits würde Stephens Heirat mit Adele Beaufort Northumberland gefährlich unabhängig machen, und das konnte dem König nicht gefallen. Doch dieser hatte die Einnahmen ebenfalls bitter nötig, war er doch fest entschlossen, gegen seinen älteren Bruder Robert ins Feld zu ziehen, um England und die Normandie wieder zu vereinen. Er konnte es sich nicht leisten, Northumberland in dessen Kriegen gegen Schottland zu unterstützen; deshalb gestattete er diese Verbindung zwischen den beiden mächtigen Häusern Essex und Northumberland.
Stephen bemerkte, dass seine Gedanken eine große Anspannung in ihm hervorriefen. Seine Pflicht war es, den Norden zu sichern. Er hatte zwei lange Jahre einen brüchigen Frieden bewahrt und war gegen die über die Grenze eindringenden Gruppen vorgegangen in dem Wissen, dass er nicht so heftig zurückschlagen durfte, dass die herrschende Waffenruhe beendet wurde. Das hatte sich als schwierige Aufgabe erwiesen.
Er war müde.
Er freute sich auf seine Hochzeit, denn Adeles Mitgift würde die Last des andauernden Kriegszustands erleichtern, die er die ganze Zeit zu tragen hatte.
Brands warnende Worte verhöhnten ihn. Verdammt, er war ein besonnener Mensch, weder impulsiv noch vorschnell, doch an seiner Entscheidung, die Frau, die sich Mairi nannte, gefangen zu nehmen, war nichts besonnen oder vorsichtig gewesen. Sie hatte ihn mit ihrer Schönheit und ihrer Verstellung fasziniert, und er hatte sie entführt. Er hatte gehofft, dass sie eine Person ohne Rang sei, damit er sie in sein Bett nehmen konnte. Und das hoffte er nach wie vor, wenngleich er daran zweifelte.
Kein Mann in seiner Position würde die Heirat mit einer Erbin einer anderen Frau wegen aufs Spiel setzen, und wäre sie noch so begehrenswert. Und auch er hatte nichts dergleichen im Sinn. Eine kurze Liebelei, wenn er das Glück haben sollte, dass es so weit kam, würde sein Bündnis mit den Beauforts nicht gefährden.
Aber sie konnte nicht in seinem Gemach bleiben. Sie dorthin zu schicken, war erneut unbesonnen gewesen, denn es kam einem gefährlichen Bruch der Etikette gleich. Adele Beaufort würde mit Fug und Recht wütend sein, sollte sie erfahren, dass er eine Frau in seinem Zimmer gehabt hatte. Bei ihrer nächsten Begegnung würde er sie aus seinem Schlafgemach entfernen.
Stephen biss die Zähne zusammen. Und er würde ihr das Geheimnis ihrer Herkunft entlocken. Wenn sie ihrer Entehrung ins Auge sehen musste, dann würde sie ihr
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