Die Geliebte des Normannen
verlangen als Silber – nämlich Land!«
Stephen war verblüfft.
»Natürlich werde ich mehr fordern als ein paar Silberstücke.«
»Wann?«, fragte Mary, und eine Träne rann über ihre Wange. »Wann werdet Ihr dieses Lösegeld verlangen? Wann kann ich nach Hause?«
»Malcolm und ich müssen uns treffen.«
Mary nickte, die dicke Träne rollte über ihr Kinn.
Beinahe hätte Stephen diese einsame Träne von ihrer zarten Haut gewischt. Dieser Impuls beunruhigte ihn. Es war klar, dass ihre missliche Lage sie sehr mitnahm und dass sie von ihm weg wollte. Die letzte Nacht hatte nicht dazu geführt, dass sie Sehnsucht nach ihm empfand. Zweifellos würde sie jeden Versuch von ihm, sie zu trösten, zurückweisen. Seine Zerrissenheit ließ ihn zögern, und er sagte sich, dass er sich vor dieser Kindfrau in Acht nehmen müsse.
Schließlich bemerkte er unsicher: »Ihr braucht nicht zu weinen, Mademoiselle. Am Ende wird aus dieser Situation für uns beide viel zu gewinnen sein.«
Mary rieb sich mit der Faust die tränennasse Wange, eine kindliche Geste, die Stephens Unbehagen noch vergrößerte.
»Nein«, flüsterte sie, »Ihr werdet gewinnen, nicht ich und die Meinen. Denn ich habe gefehlt. Ich habe gegen mein Land und meinen König gefehlt.«
Er zeigte sich einmal mehr erstaunt.
»Ihr habt gesprochen wie ein Mann! Man erwartet von einer Frau nicht, dass sie einen Mann bezwingt, Mademoiselle.
In der Tat habt Ihr Euch auf eine Männerrolle eingelassen, deren Konsequenzen Ihr gar nicht vollständig verstehen und in der Ihr deshalb auch nicht gewinnen konntet. Das war höchst unklug.«
»Ich verstehe dieses Spiel gut genug.« Mary hob stolz das Kinn und schürzte die Lippen. »Ich tat, was ich tun musste. Ich bin Schottlands Tochter.«
Eine wilde Entschlossenheit packte ihn.
»Ihr seid erstaunlich, Mademoiselle«, murmelte er. Und er dachte an den Sohn, den sie ihm schenken würde, einen klugen, starken und stolzen Sohn.
»Kommt«, fuhr er dann fort, »kehren wir zurück, lasst uns von vorn beginnen.« Er bot ihr seine Hand.
Durch ihre Tränen hindurch funkelte sie ihn wütend an. Sie verweigerte ihm ihre Hand.
»Wir beginnen gar nichts. Mein Vater wird Euch töten, und ich werde auf Eurem Grab tanzen!«
Stephen bemerkte, dass er ihr noch immer seine Hand bot. Erzürnt ließ er den handschuhbewehrten Arm sinken.
»Malcolm könnte es versuchen, aber wenn ich an Eurer Stelle wäre, würde ich mein Bestes tun, um ihn davon abzubringen. Schließlich ist Euer Vater nicht mehr jung, während ich in den besten Jahren bin.«
Sie verlor jegliche Farbe.
»Ihr würdet mit meinem Vater das Schwert kreuzen?«
Er bedauerte seine Worte. Einmal mehr wunderte er sich über ihre Liebe zu solch einem Schurken.
»Nur, wenn ich dazu gezwungen werde.«
»Du lieber Himmel!«, stöhnte Mary. »Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie es wird, wenn ihr beide aufeinandertrefft, um das Lösegeld auszuhandeln!« Sie tat einen Schritt auf ihn zu. »Tötet meinen Vater nicht. Bitte!«
Dass sie treu zu Malcolm hielt, war nur korrekt. Stephen jedoch machte dieser Loyalitätsbeweis auf seltsame Weise wütend auf sie, weil sie ihn überdies soeben ganz eindeutig zurückgewiesen hatte. Natürlich spielte es keine Rolle, ob sie ihn hasste oder nicht; das Leben war voll von hasserfüllten Gemahlinnen.
»Vielleicht könntet Ihr mich mit hübschen Worten und netten Manieren überzeugen? Vielleicht könntet Ihr Euch endlich benehmen, wie es einer Frau geziemt?«
Sie erbleichte.
»Obwohl Ihr wisst, wer ich bin, besteht Ihr darauf, dass ich Euer Bett wärme?«
»Das habe ich nicht gesagt, Demoiselle. Vielleicht seid Ihr es, die ein neuerliches Zusammentreffen wie das der letzten Nacht wünscht.«
Im ersten Moment antwortete Mary nicht, doch ihr Gesicht wurde spitz, die Augen riesengroß.
»Ich wünschte mir, wie meine Schwester Maude zu sein«, flüsterte sie dann.
Bei diesen Worten war es um seine widerwillig geschuldete Sympathie geschehen.
»Ich wusste nicht, dass Malcolm noch eine Tochter hat«, bemerkte er scharf.
Eine weitere Tochter konnte alles verändern. Solange Maude da war, um in Malcolms Plänen Marys Stelle zu übernehmen, konnte diese auf dem Altar der Politik geopfert werden. Stephen fragte sich, ob er es wagen würde, Mary vor den Altar zu zwingen, falls Malcolm sich weigerte, diese Verbindung gutzuheißen.
»Sie ist Novizin in der Abtei in Dunfermline. Sie ist sehr fromm, sehr gut.« Marys Stimme verlor sich. Dann fügte
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