Die Geliebte des Rebellen
wissen, sobald sie den Knebel los war und wieder sprechen konnte.
Sie war bitterböse und fand in ihrer Wut zunächst keine Worte. Dann stieß sie abgehackt hervor: “Rory O’Neil! Dafür wird er mir büßen. Aber zunächst, Innis, musst du mir ein Pferd und eine Waffe besorgen.”
“Eine … Waffe? Für Euch?”
“Ja, selbstverständlich. Bevor ich ihm das, was er mir heute angetan hat, heimzahle, muss ich ja schließlich erst sein erbärmliches, jammervolles Leben retten!”
AnnaClaire bewegte sich schnell und umsichtig. Es galt, keine Zeit mehr zu verlieren, denn Rory war dabei, sich Hals über Kopf in sein Verderben zu stürzen.
Sie warf sich ihren Reisemantel über und eilte durch die große Halle nach draußen. Bei den Ställen wartete Innis auf sie, wie er es versprochen hatte. Als sie nahe genug an ihn herangekommen war, sah AnnaClaire, dass er die Zügel von zwei gesattelten Pferden hielt.
“Was hast du denn vor?”
“Ich komme mit.” Innis hielt AnnaClaire die Steigbügel, und nachdem sie aufgesessen war, schwang er sich auf seinen Wallach.
“Du wirst nichts dergleichen tun”, erwiderte AnnaClaire entschieden und griff nach seinen Zügeln. “Steig sofort ab. Ich werde nicht zulassen, dass du dich in Gefahr begibst.”
“Und wie, glaubt Ihr, könnt Ihr mich davon abhalten? Ich folge Euch einfach, sowie Ihr losgeritten seid.”
“Ach, Innis!” Sie zerrte an den Zügeln und hoffte, dass der Junge begreifen würde, wie bitterernst und gefährlich ihr Vorhaben war. “Gib mir dein Messer, und dann geh wieder zu Bett.”
“Was wollt Ihr mit dem Messer machen?”
“Ich kann es bedrohlich durch die Luft schwingen. Niemand würde merken, dass ich es noch niemals zuvor benutzt habe.”
“Hm. Aber ich kann damit auf eine Entfernung von zwanzig Schritten einem Mann das Auge herausstechen”, erklärte Innis stolz. Ihm schien die Brutalität, die in seinen Worten lag, überhaupt nicht bewusst zu sein. “Ihr braucht mich, Engländerin”, sagte er. “Ich werde Euch nicht allein losreiten lassen.”
AnnaClaire sah zu dem im Dunkeln liegenden Gebäude hinüber, wo sämtliche Mitglieder des Haushalts vermutlich noch in tiefem Schlaf lagen. Sie wusste, dass man es ihr niemals verzeihen würde, wenn Innis bei diesem Unternehmen etwas zustieße. Doch jetzt blieb keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, was die Zukunft auf Ballinarin bringen würde. Sie musste Rory erreichen, bevor er einen schrecklichen, wenn nicht gar tödlichen Fehler beging.
Sie nickte. “Also gut, Innis. Wir reiten zusammen. Möge Gott mit uns sein.”
Sie wendete ihr Pferd, und der Junge tat es ihr gleich. Im nächsten Augenblick gaben sie den Tieren die Sporen. Kurz darauf hatten sie Ballinarin hinter sich gelassen und preschten in gestrecktem Galopp die Straße zum Dorf entlang.
Rory stand im Schatten der Hauswand und beobachtete, wie zwei Soldaten mit ihren Bechern anstießen. Der Klang rauer Männerstimmen und heiseres Gelächter drangen zu ihm.
Es bereitete ihm keinerlei Schwierigkeiten, sich an den Wachen vorbeizuschleichen und durch ein Fenster im ersten Stock in das Wirtshaus einzusteigen. Von dort fand er über einen Balkon und eine Treppe den Weg in die Gaststube.
Rory trug Pater Malones braunen Umhang aus grobem Sackleinen. Die Kapuze hatte er tief ins Gesicht gezogen, sodass man ihn durchaus für einen Mann der Kirche halten konnte. Als er sich unauffällig umsah, zählte er lediglich ein Dutzend Soldaten.
Seltsam! Dabei hatte er doch draußen bei den Ställen mindestens doppelt so viele Pferde gesehen. Also musste sich eine etwa gleich große Gruppe von Söldnern irgendwo im Dorf aufhalten. Wahrscheinlich hurten sie herum oder schliefen ihren Rausch aus.
“Wollt Ihr Ale, Pater?” erkundigte sich das junge Mädchen hinter der Theke.
Rory nickte wortlos und nahm den gefüllten Becher entgegen. Gerade als er ihn an die Lippen setzte, um zu trinken, hielt er mitten in der Bewegung inne. Er glaubte, ihm müsse das Blut in den Adern gefrieren!
Nur wenige Schritte von ihm entfernt saß an einem Tisch ein englischer Soldat, der ihm den Rücken zukehrte. Er hatte gelbliches Haar!
In Rory stieg grenzenloser Hass hoch, der jeden vernünftigen Gedanken im Keim erstickte. Alle sorgsam durchdachten Pläne waren vergessen. Die Verkleidung. Die unbedingte Geheimhaltung. Die List, mit der er die Soldaten dazu hatte bringen wollen, ihm aus dem Dorf hinaus in den Wald zu folgen.
Von mörderischer Wut
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