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Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)

Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)

Titel: Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Duncker
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sechste Stunde.”
    Sie sagte nicht ja, nicht nein. Sie getraute sich weder dem König zu widersprechen noch ein Rendezvous zu gewähren, in dem sie ein schweres Unrecht gegen die Königin sah. Er küsste noch einmal ihre Hand.
    „Gute Nacht, Louise — träumen Sie von Ihrem Louis, der Sie anbetet.”
    Dann gingen sie auf verschiedenen Wegen durch den Park dem ovalen Schlosshof zu.
    Abends im Spielsaal wartete Madame vergebens auf das Erscheinen des Königs. Ärgerlich lud sie Guiche an ihr Schachbrett. Aber sie spielte sehr unaufmerksam heute Nacht. Die geschickte Spielerin verlor eine Partie nach der anderen.
    Mehr als einmal flog Henriettes Blick zu Fräulein von La Vallière hinüber, forschend, tastend. Als sie ihre Damen um Mitternacht verabschiedete, sah sie Fräulein von La Vallière noch einmal prüfend an, dann sagte sie spitz:
    „Sie waren heute Abend merkwürdig verträumt, meine Liebe.”
    Und sich zu Frau von Soissons wendend, die stundenlang mit dem Marquis von Vardes konversiert hatte, fragte sie:
    „Finden Sie nicht auch, Olympia?”
    Frau von Soissons zuckte maliziös mit den schönen, von Rubinspangen umfassten Schultern, die des Königs Mund so oft und so heiß geküsst hatte.
    „Stille Wasser sind tief, teuerste Prinzessin. Das war's, was ich schon vorhin dem Marquis bemerkte.”
    Die Feste in Fontainebleau drohten eine Unterbrechung zu erleiden. Aus Gründen, die niemand zu enträtseln wusste, war der König verstimmt. Er hatte sich in sein Arbeitszimmer vergraben, erteilte Audienzen, beschied die Minister zu sich. Außer der Königin bekam niemand der Hofgesellschaft ihn zu sehen.
    Man munkelte von Differenzen zwischen den Gesandten in London, in die Frankreich hineingezogen werden sollte. Pessimistische Köpfe wollten einen nahen Krieg in Aussicht sehen. Bestimmtes wusste niemand. Es war die Rede davon, dass der König das Hoflager in Fontainebleau abbrechen wolle. Jetzt, zur schönsten Zeit des Jahres! Das musste Ernstes zu bedeuten haben!
    Aus dem ganzen bunten, glänzenden Kreise, der sich trotz der Unnahbarkeit des Königs den Tag über mit Tanz, Spazierfahrten und Mailspiel kürzte, den Abend und die Nacht beim Trente-et-quarante, Reversis und Troumadame im Pavillon des Princes sich vergnügte, wusste nur eine, was diese plötzliche Zurückgezogenheit des Königs zu bedeuten hatte: Louise Françoise von La Vallière!
    Durch ihre Absage des ersten Rendezvous hatte sie den König tödlich verletzt. Nachdem er einen zweiten Versuch gemacht, der keine bessere Antwort erhalten, hatte er sich zornig zurückgezogen und in die Arbeit vergraben.
    Nicht wie sonst während des Zwistes mit einer Frau, in die er gerade verliebt war, verspürte der König die Neigung, sich vorübergehend mit einer anderen zu trösten. Hier war nicht nur sein Stolz verletzt, hier war sein Herz aufs Schmerzlichste getroffen.
    Er liebte dieses blasse scheue Mädchen, das ihn floh, mit einer Tiefe der Empfindung, die ihn selbst erschreckte. Seine ganze Seele war erfüllt von ihr. Keine flüchtige Spielerei, keine vorüberbrausende Leidenschaft der Sinne hielt Louis gefangen. Wie er ihr selbst gestanden, hatte er nur einen Gedanken: Louise von La Vallière!
    Während er in Stolz und Trotz und Kummer sich vor aller Welt verschloss, tat Louise ihre Pflicht, blass, schwerfällig, ohne jede Freude. Selbst Madames neu ihr zugewandte Freundlichkeit konnte sie nicht erheitern. Gewissensqualen folterten sie.
    Immer wieder sagte sie sich: Du hättest seine zärtlichen Geständnisse nicht hören, seine sanften Berührungen nicht dulden dürfen! Waren sie nicht schon ein Verbrechen an der Königin, an dem legitimen Glück der königlichen Ehe!
    Louise saß in einer der Jasminlauben in der Nähe der Teiche, den müden, zerquälten Kopf in die Hand gestützt. An dem Ausschnitt ihres luftigen weißen Kleides dufteten schwer die Purpurrosen, die Benserade ihr gegeben hatte. Vorüber war die Zeit der unschuldigen Veilchen!
    Das Gefühl einer grenzenlosen Verlassenheit, einer ungeheuren Sehnsucht nach ihrer Kindheit, ihrer ersten Jugend, nach den unschuldigen Freuden von La Vallière und Blois überwältigte sie. Was gingen all diese lauten, lachenden Menschen drüben auf dem Spielplatz sie an, aus deren Mitte sie sich fortgestohlen hatte? Was wussten sie von ihr und ihrem eigentlichen Leben? Was konnten sie ihr sein? Was konnte sie ihnen geben? Klatsch, Médisance, Intrigen, Ehrgeiz, Koketterie — das war der Kreislauf ihrer

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