Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
aufgelegt, dazu meine nächste Verwandte.”
„Die Frau deines Bruders, ja!”, sagte Anne d'Autriche mit schwerem Nachdruck.
Louis wollte auffahren. Die Königinmutter blieb vollkommen ruhig.
„Hat die Königin sich beklagt?”
„Die Liebe zu dir macht deine Frau blind. Sie sieht und hört nichts als dich. Der Klatsch wagt sich nicht an sie heran. Beklagt hat sie sich außer über deinen heutigen Zorn nur über die Unruhe der vielen Feste, die dich ihr entzieht. Du solltest eine so tiefe, vertrauende Liebe wie die Marie Thérèses höher einschätzen, mein Sohn.”
Der König dachte an Louise von La Vallière und schwieg.
„Wenn du deine Pflichten gegen Gott weniger vernachlässigtest, würde es dir weniger Schwierigkeiten machen, die gegen deine Gattin zu erfüllen. Ich sehe dich sehr selten in der Messe, du gehst nicht mehr zu Beichte und Abendmahl.”
Louis nahm eine unruhige, ablehnende Haltung an und schwieg mit zusammengepressten Lippen.
„Die Feste — Madame und —” Anne d'Autriche sah den König durchdringend an — „Madames Damen lassen dir keine Zeit für die Kirche. Denke darüber nach, mein Sohn. Drehe dir keinen Strick aus deinen Liebschaften. Freunde und Volksgunst sind Dinge, mit denen man nicht spielt, wenn der Allerhöchste uns auf den Thron Frankreichs berufen hat.”
Louis hatte sich abgewendet und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den reich mit Gold- und Silberarabesken eingelegten Tisch, der die Mitte des Zimmers einnahm. Anne d'Autriche saß noch immer in ihrem schweren Armstuhl am Kamin, den Blick abwechselnd auf ihren Sohn und die spielende Flamme gerichtet.
„Ich kann dich nicht zwingen, Louis, aber ich möchte dir den Rat geben, dich bitten, lass Saint-Aignan die Feste streichen, die noch auf seiner Liste stehen. Viel wird damit gewonnen sein. Die Königin bedarf in ihrem Zustand der Schonung und Ruhe. Die Zeit ist, auch vom politischen und wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, für Feste wenig angetan. Du weißt, ebenso gut wie ich, vielleicht besser noch, dass das Gericht, das du an Fouquet vollzogen hast, eine Aufregung hervorzurufen scheint, die besser erst verebbt, bevor du dich wieder in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Veranstaltungen stellst. Zudem sind Summen für die Feste vergeudet worden, die in gar keinem Verhältnis zu dem Zweck ihrer Anwendung stehen und böses Blut machen könnten. Das Geld wird alle Tage teurer, die Finanzpächter halten die Hand auf ihren Börsen.”
Der König schürzte verächtlich die Lippen.
„Soll der Hof Louis' XIV. in Sack und Asche gehen?” Anne d'Autriche schüttelte das noch immer schöne Haupt.
„Nein. Aber Maßhalten soll er lernen, und du sollst ihm mit gutem Beispiel vorangehen, in diesem Herbst und Winter insbesondere, wo nach dem versengend heißen Sommer Missernten, Teuerungen, ja die Möglichkeit einer Hungersnot in beinahe sicherer Aussicht stehen.”
Louis wandte sich zu seiner Mutter zurück. Er wusste, sie meinte es gut mit ihm und mit Frankreich! Sie war seine aufrichtige Freundin, und es war viel Wahres an dem, was sie ihm gesagt hatte. Schon wollte er in einer warmen Aufwallung auf sie zutreten, ihr die Hand reichen, ihr versprechen, ihre Worte in seinem Herzen zu bewegen — da plötzlich blieb er wie festgebannt mitten im Zimmer stehen.
Das Bild seiner Mutter am Kamin hatte plötzlich eine Erinnerung in ihm heraufbeschworen, die alle guten Vorsätze über den Haufen warf, sein Herz zu Eis erstarren ließ. Es war im Palais Royal an einem kühlen Herbstabend gewesen, wie der heutige es war. Die Mutter hatte wie heute am Kamin gesessen und in die flackernde Flamme geschaut, und er, ein Knabe, hatte neben ihr am Boden gehockt, eine Karte Frankreichs auf den Knien, auf der er stolz und eifrig die weiten Grenzen seines Landes suchte.
Die Mutter hatte liebreich zu ihm gesprochen, ihm aus der Geschichte Frankreichs erzählt, ihm Frankreichs reiche, blühende Provinzen geschildert. Da plötzlich hatte sich die kleine Tapetentür aufgetan, durch die einzig die Königinmutter selbst das Zimmer betrat. Unangemeldet war der Mann durch sie eingetreten, der seine Kindheit vergiftet hatte: Mazarin!
Mit einem raschen Blick des Einverständnisses, der dem Hass des Knaben nicht entgehen konnte, waren die Augen seiner Mutter und des Kardinals sich begegnet. Dann war er aus dem Zimmer geschickt worden, ohne dass die Mutter, wie sonst, ehe er schlafen ging, einen Blick, einen Kuss für ihn gehabt
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