Die Geliebte des Trompeters
Frau stöhnte, eher verschlafen als lustvoll. – Komm schon, Baby, sagte Dick, komm schon. Es war nicht klar, wen er meinte. Er grinste. Er grinste wie einer, der weiß, dass er alle anderen abhängt. Für Dick war gewinnen wichtig. Und endlich schliefen sie ein.
Am nächsten Tag hatten Dick und der Junge frei. Die Sonne schien, als hätte sie etwas gutzumachen, und Dick sagte mit einem Nicken zum wolkenlosen Himmel: Na gut, versuchen wir’ s … Der Junge staunte, wie schnell es Dick gelang, einen Jeep zu organisieren, und an der nächsten Ecke holten sie, wie verabredet, Moni ab, die in ihrem total zerknautschten Kleid aussah wie ein zerdrücktes Bonbon. Umständlich kletterte sie in das Fahrzeug. Dick machte sich nicht die Mühe, sie zu verstecken, obwohl es streng verboten war, Zivilisten in Militärfahrzeugen zu transportieren. Aber Dick hätte nur ungern darauf verzichtet, Moni vorzuzeigen. Für eine Deutsche war sie von geradezu obszöner Wohlgenährtheit. Alles an ihr war üppig: die schweren Brüste, der Hintern, die keulenförmigen Oberarme und die Schenkel. Dick war durchaus ein Mann von Geschmack, und normalerweise hätte er einen |61| exquisiteren Frauentyp vorgezogen. Aber Moni war geradezu die Karikatur der Teutonin, sie verkörperte auf übertriebene, ja lächerliche Weise Hitlers Germanenfrau. Das hatte einen ganz besonderen, ja, morbiden Reiz. Außerdem war sie gutmütig, und ihre prallen Waden verjüngten sich zu den Fesseln dramatisch – eine Kurve im Körper, für die Dick eine spezielle Vorliebe hegte. Er knabberte also, hinten im Jeep eher liegend als sitzend, an den Beinen der schläfrigen Frau herum, die halb auf ihm und halb auf dem Jungen lag, während irgendein Soldat, dem sie mit Chesterfields auf die Beine geholfen hatten, ungerührt Richtung Wannsee steuerte. Der Junge! Der schaute nun schon wieder so finster drein, als sollte es zu einer der gefürchteten, todlangweiligen Ehrenwachen gehen und nicht zu einem Picknick. Sollte einer schlau aus dem werden! Dabei hatte er letzte Nacht wirklich nichts ausgelassen.
Dick staunte noch in der Erinnerung. Mit Ingrimm hatte sich der Siebzehnjährige auf Moni gestürzt, hatte beinahe gewalttätig ihre Brüste und Schultern mit Küssen bearbeitet, immer wieder hatte er sie küssen wollen, was Moni, praktisch veranlagt, wie sie war, für die reine Zeitverschwendung hielt.– He, du, nicht so feste, hatte sie vergeblich gerufen. Wenn de schon son Jebiss hast, musste och aufpassen, Kleiner! Aber
der Kleine
passte nicht auf, immer rasender wurde er und biss die Frau dahin, wo er traf, und hielt diese Bisse für Küsse. Was der für ’ne Wut hat!, staunte Moni. Is ja beängstigend! Aber der Mann, vor dem sich Moni fürchtete, der musste erst noch geboren werden.
Moni entschloss sich schließlich zu lachen – verrückte Kerle, diese Amis! Aber sie waren immer noch besser als ihr griesgrämiger Gatte, der es zwar, anders als die meisten Deutschen, verstanden hatte, beizeiten nach Hause zu kommen, aber doch nur, um sich umstandslos bei den Russen anzudienen: |62| Einen tüchtigen Schlachter wie Heinrich Schütte konnte man immer gebrauchen.
Und Schüttes Rechnung ging auf. Zwar wussten die Russkis, wie man Pferde einfing und ihnen die Kehle durchschnitt, nicht aber, wie man ihr Fleisch konservierte, wie man das Beste aus halb verhungerten Kühen und zur Not auch aus den letzten herumstreunenden Katzen machte. Schütte wurde Spezialist dafür, den Inhalt von tausenden Dosen Hundefutter, die in irgendeinem Lager aufgetaucht waren, in allerbestes Corned Beef zu verwandeln, das seine neuen Freunde auf dem Schwarzmarkt am Alex oder an der Ruine der Gedächtniskirche gegen Schnaps, Zigaretten und Fett eintauschen konnten. Aber wie dankten sie es ihm! Wie behandelten sie ihn! Jeden Abend klagte Schütte seiner zunehmend gelangweilten Frau sein Leid. Sie grüßten ihn, zum Hohn, mit
Cheil Chitler
, obwohl sie Gott-sei-Dank nicht ahnten, dass Heinrich Schütte in der Tat ein treuer Parteigenosse gewesen war. Bei ihren Gelagen ließen sie sich von ihm bedienen und trieben ihre betrunkenen Scherze mit ihm. Einmal zwangen sie ihn, sich eine Schweinslarve, die man zur Herstellung einer pfälzischen Wurstspezialität brauchte, über das Gesicht zu ziehen, und tanzten dann, sich auf die Schenkel schlagend, um ihn herum. – Hättest besser mitgetanzt!, kommentierte seine Gattin das nur lakonisch, denn Moni Schütte fand, dass ihr Heinrich allmählich aus
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