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Die Geliebte des Trompeters

Titel: Die Geliebte des Trompeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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und den Vorführungen, bei denen die Army Band spielte. Er schaffte |102| es immer, sich in die Nähe der Band zu bringen, und dann hatte er doch nur Augen für Chet. Als wäre ich verliebt!, dachte er einmal, verwirrt über sich selbst. Aber er ließ den Jungen nicht aus den Augen.
    Die amerikanischen Soldaten hatten beim Flag Day eine wesentlich bessere Sicht als die Deutschen, dabei wollte man gerade denen zeigen, dass eine zivilisierte Nation stolz auf ihre Flagge sein und zuversichtlich in die Zukunft schauen kann, ohne in haltlosen Nationalismus zu verfallen. Auf den Tribünen am Paradeplatz saßen der amerikanische Kommandant mit französischen und britischen Offizieren. Die Russen waren nur durch wenige Offiziere vertreten. Aus der ehemaligen Anti-Hitler-Koalition war inzwischen ein brüchiges Bündnis geworden, man beobachtete sich misstrauisch, und die täglichen Patrouillen der Amerikaner in ihren Jeeps dienten, so ihr Kommandant, vor allem dazu,
Stärke zu zeigen –
Stärke gegenüber den Russen. Es waren längst nicht mehr so sehr die Deutschen, die überwacht, kontrolliert und in Schach gehalten werden mussten, die Aufmerksamkeit richtete sich zunehmend auf die russischen Verbündeten. Sie hatten einen hohen Blutzoll entrichtet und suchten nun auf ihre Weise Genugtuung, Wiedergutmachung, auch Vergeltung.
    Die wollen noch, dass das ganze Land umzieht!, scherzte einer der Offiziere, als sie wieder einmal beobachteten, wie die Russen Eisenbahngeleise, Maschinenteile, Ketten, Geräte, Gewinde, Züge und Verschalungen von deutschen Zwangsverpflichteten auf Güterzüge laden ließen.
    Sie machten ernst mit der Demontage, die Russen, und die Deutschen zerlegten mit zusammengebissenen Zähnen ihre Fabriken, wobei sie ahnten, dass kein Mensch in Wolgograd oder Omsk später in der Lage sein würde, die Teile wieder zusammenzusetzen, denn das Chaos war unbeschreiblich. Um jeden Preis wollten die Russen sich wiederholen, was die |103| Deutschen in ihrem Land zerstört hatten. Sie wollten sicherstellen, dass keine Rüstungsindustrie mehr ihr Land bedrohte, während die Amerikaner allmählich dazu übergingen, die Besiegten als mögliche Verbündete zu sehen – als Partner oder jedenfalls als Hilfskräfte in einem Kampf der Ideologien, der unvermeidlich zu sein schien.
    Die gemeinsamen Truppenparaden übertünchten die Gegensätze zwischen den Alliierten nur notdürftig, und doch boten sie für alle Seiten eine kleine Verschnaufpause im anstrengenden Nachkriegsalltag. Der Ablauf dieser Veranstaltungen hing von der ausrichtenden Nation ab, beim Flag Day waren die Amerikaner an der Reihe, und ihre Paraden waren immer eine erstklassige Show. Die Mitglieder der verschiedenen Waffengattungen marschierten auf – die ruhmreiche Air Force vorneweg, dann das Heer, schließlich die Marine – und jede dieser Einheiten wurde von einem Offizier angeführt, der die Stars and Stripes auf den ausgebreiteten Armen trug, so vorsichtig, als ob er ein Baby zur Taufe tragen wolle. Nichts Martialisches lag in dieser Geste, und der Stolz auf den Gesichtern der nachfolgenden Soldaten hatte etwas Privates. Sie alle trugen kleinere Flaggen, die Stars and Stripes in Handtuchgröße, so, wie Onkel und Tanten Urlaubsfotos der wohlgeratenen Neffen und Nichten im Portemonnaie mit sich tragen.
    Die Deutschen, die den Amerikanern zusahen, fühlten sich befremdet, ein wenig amüsiert, und dachten an die pompösen Aufmärsche der Nazis, an ihren nächtlichen Kult, an die schwarzen Helme, die glänzenden Stiefel und lodernden Fackeln. Die Paraden waren furchteinflößend gewesen, Irmgard, die mit den Töchtern und den Nachbarn gekommen war und vergeblich versucht hatte, einen Platz in einer der vorderen Reihen zu erkämpfen, erinnerte sich an die Gesichter der vielen kleinen jammernden Kinder, deren Weinen allerdings von der dröhnenden Marschmusik mühelos übertönt |104| wurde, so dass, wenn man die Kinder beobachtete, ein merkwürdig unstimmiger Stummfilm vor den eigenen Augen ablief: Zu sehen waren die verzerrten Gesichter der ängstlichen Kinder, die fanatischen auch der begeisterten Massen – zu hören waren jedoch nur die laute, steife, blechern scheppernde Marschmusik und die Heilrufe. Als würde ein Stummfilm vom falschen Sound übertönt.
    Das war Irmgard schon früh aufgefallen: dass sie immer andere Bilder sah als die, die sie sehen sollte. Eigentlich gefielen die Amerikaner ihr besser, aber diese Aufmärsche schienen ihr auch nicht

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