Die Geliebte des Zeitreisenden
können.«
Tränen des Stolzes traten ihr in die Augen. »Genau das habe ich getan. Indem ich den Gral weggegeben habe, habe ich mehr Leben gerettet, als wenn ich ihn denjenigen übergeben hätte, die mich hier festhalten.«
»Das ist ungerecht.« Jaylon trat noch einen Schritt auf sie zu.
Nun stand er so nahe vor ihr, dass sie seinen süßen Jungenduft einatmen konnte. Aber eine weise Seele blickte sie aus diesen Kinderaugen an. Sie hatte ihn noch nie belogen und würde es auch jetzt nicht tun. »Das Leben ist niemals gerecht. Aber die Göttin erbittet nicht mehr von uns, als wir geben können.«
»Ich will nicht, dass sie dich töten.« Seine Augen füllten sich mit Tränen.
Es krampfte ihr den Magen zusammen. Sie wollte nicht sterben. Vor allem wollte sie nicht unter schrecklichen Schmerzen sterben. Dieses liebe Kind, das so viel durchgemacht hatte, musste ihr Zittern bemerkt haben. Jaylon legte seine kleine Hand in die ihre.
Sonelle keuchte auf. »Berühr sie nicht.«
Jaylon tat so, als habe er es gar nicht gehört.
Caels Stimme würde schärfer. »Heute Abend soll ich sterben, und du verweigerst mir sogar den geringsten Trost?« Sie hob den Kopf, aber Sonelle weigerte sich sogar, ihr in die Augen zu blicken.
»Warum musst du bloß immer so stur sein?« Sonelles hochmütige und zornige Worte fuhren Cael durch Mark und Bein.
Es tat so weh, dass sie jetzt auch noch von ihrer eigenen Schwester getadelt wurde, und deshalb holte Cael zum Gegenschlag aus. »Ja, ich bin stur. Stur genug, um auf die Suche nach dem Gral zu gehen und deinem Sohn das Leben zu retten.«
Sonelles Hals rötete sich. »Dafür werde ich dir ewig dankbar sein. Ich danke dir für seine Rettung.« Die Worte kamen jedoch förmlich und steif heraus.
Aber Sonelles Dank schockierte Cael beinahe genauso sehr wie die Trauer, die sie in der Stimme ihrer Schwester bemerkte. Offenbar hatte erst Caels bevorstehender Tod dazu geführt, Sonelles Mitgefühl zu erringen. Dennoch war das Wissen darum, dass Caels Schwester ihren Tod betrauern würde, ein unerwartetes Geschenk. Cael schluckte. »Pass gut auf Jaylon auf.«
Sonelle nickte. »Es tut mir so leid, dass dein Leben dich ... zu diesem Ende geführt hat.« Sie streckte die Hand nach ihrem Sohn aus. »Jaylon, lass sie los.«
»Nein.«
»Jaylon, du gehorchst mir jetzt.«
»Ist schon in Ordnung.« Cael nickte Jaylon zu. »Tu, was deine Mutter sagt.«
Seine Unterlippe zitterte. »Ich bleibe hier.« Zum Entsetzen seiner Mutter kroch er auf Caels Schoß, schlang die Arme um ihren Hals und schluchzte.
Sonelle schüttelte den Kopf und gesellte sich wieder zu Nisco.
Inzwischen weinte sich Jaylon auf Caels Schoß in den Schlaf. Seine Gegenwart, seine Berührung, seine zärtliche Zuneigung waren ein höchst willkommenes Geschenk. Cael wünschte sich, sie wäre nicht gefesselt, um ihn umarmen zu können. Aber so war es ihr nur möglich, die Nase in seine Haare zu stecken, seinen unschuldigen Duft einzuatmen und Trost aus seinem Gewicht und seiner Körperwärme zu ziehen.
Nisco rang die Hände und seufzte. »Es tut mir so leid, dass dir das passiert. Dass es uns passiert.«
»Haben sie euch noch einmal bedroht?«
Nisco schüttelte den Kopf. Tränen schwammen in ihren
Augen. »Ich wollte das nicht. Nicht für dich. Nicht für mich. Nicht für Jaylon.« Ihr Blick glitt über das schlafende Kind und wurde sanfter. »Kann ich noch irgendetwas tun?«
Niscos Angebot rührte Cael. Sie wollte gerade etwas darauf antworten, als sie wegen eines plötzlichen Schmerzes in ihrer Hand aufschrie. Jaylon lag noch immer auf ihrem Schoß, aber jetzt hielt er ein Messer in der Hand. Blut klebte auf ihrer Handfläche. Und auch auf der von Jaylon. Er presste seine Hand gegen die ihre: Das Blut vermischte sich.
»Bei der Göttin, Jaylon, nein!«
»Doch.« Er hob den Blick; Ruhe lag in seinen Augen.
»Warum tust du das?«, wollte Cael wissen und kämpfte gegen ihre Ketten an, aber sie konnte sich kaum bewegen.
»Ich habe gesehen, wie dich der männliche Drache zum Krankenhaus geflogen hat. Ich will so sein wie er.«
Sonelles verwirrter Blick flog von Cael zu Jaylon und dann zu ihren blutigen Händen. Sie wurde ohnmächtig. Nisco eilte zu ihr.
»Jaylon«, sagte Cael, »warum glaubst du denn, dass dich die Vermischung unseres Blutes zu einem Drachen macht? «
»Die Ärzte im Krankenhaus haben doch den Drachen auch gesehen. Sie haben gesagt, du hättest ein Tabu gebrochen und Lucan dein Drachenblut gespendet.
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