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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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anstellen?«
    »Eine Freundin und ich wurden vor ein paar Tagen auf der Straße... angegriffen.« Bei der Erinnerung daran schluckte ich. »Die Männer waren maskiert. Ich habe sie nicht erkannt. Aber einer von ihnen hatte dieselbe Größe und Statur wie Jonathan Randall. Ich möchte aussagen, daß ich Randall heute in einem Haus getroffen und ihn als einen der Täter erkannt habe.«
    Dougals Stirn umwölkte sich; er musterte mich kühl.
    Plötzlich schien ihm ein neuer Gedanke zu kommen.
    »Bei Gott, du hast einen Wagemut wie der Leibhaftige. Ein Raubüberfall?« fragte er leise. Zornesröte stieg mir ins Gesicht.
    »Nein«, erwiderte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Aha.« Er lehnte sich zurück. »Du bist aber nicht zu Schaden gekommen?«« Ich blickte auf die Straße hinaus, spürte aber, wie sein Blick lüstern über meinen Halsausschnitt zur Hüfte glitt.
    »Ich nicht, aber meine Freundin...«

    »Verstehe.« Nach kurzem Schweigen sagte er versonnen: »Hast du schon mal von ›Les Disciples du Mal‹ gehört?«
    Ich warf den Kopf herum und sah ihn an. Er lümmelte in der Ecke, geduckt wie eine Katze, und betrachtete mich aus schmalen Augenschlitzen.
    »Nein. Was machen sie?« fragte ich.
    Achselzuckend neigte er sich nach vorne und spähte an mir vorbei auf den sich nähernden Koloß des Quai des Orfèvres, der sich grau und trist über der glitzernden Seine erhob.
    »Eine Art - Gesellschaft. Junge Männer aus gutem Hause, die sich für Dinge interessieren, die man... ungesund nennen könnte.«
    »Das kann man behaupten«, sagte ich. »Und was weißt du über Les Disciples?«
    »Nur, was ich in einer Taverne in der Cite gehört habe. Daß die Gesellschaft ziemlich viel von ihren Mitgliedern verlangt, und der Preis für die Initiation ist hoch... nach meinen Begriffen.«
    »Nämlich?« Ich warf ihm einen herausfordernden Blick zu. Er lächelte ziemlich grimmig, bevor er antwortete.
    »Eine Jungfernschaft, zum Beispiel. Oder die Brustwarzen einer verheirateten Frau.« Seine Augen huschten über meine Brust. »Deine Freundin ist Jungfrau, nicht wahr? Oder sie war es?«
    Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Ich wischte mir das Gesicht mit meinem Leinentuch ab und stopfte es in die Tasche meines Umhangs, was mir nicht auf Anhieb gelang, da meine Hand zitterte.
    »Ja. Was hast du noch gehört? Weißt du, wer mit Les Disciples zu tun hat?«
    Dougal schüttelte den Kopf. Die Nachmittagssonne ließ die Silberfäden in seinem braunen Haar aufleuchten.
    »Nur Gerüchte. Der Vicomte de Busca, der jüngste von den Charmisse-Söhnen - vielleicht. Der Comte de St. Germain. Was denn? Ist dir nicht gut, Mädel?«
    Er beugte sich besorgt über mich.
    »Schon gut.« Ich atmete tief durch. »Verdammt gut.« Ich zog mein Taschentuch heraus und trocknete den kalten Schweiß auf meiner Stirn.
    Keine Sorge , Mesdames, es geschieht Ihnen kein Leid. Die hämische Stimme hallte im Dunkel meiner Erinnerung wieder. Der Mann im getupften Hemd war mittelgroß und dunkel, schlank, fast
schmächtig. Diese Beschreibung paßte auf Jonathan Randall und auch auf den Comte de St. Germain. Hätte ich ihn aber nicht an der Stimme erkannt? War es vorstellbar, daß ein normaler Mann mir gegenüber am Tisch Platz nimmt, Lachs-Mousse verzehrt und höfliche Konversation treibt - kaum zwei Stunden nach dem Zwischenfall in der Rue du Faubourg-St.-Honoré?
    Nüchtern betrachtet, warum nicht? Ich hatte es ja auch fertiggebracht. Und es gab keinen Grund für die Annahme, daß der Comte ein - nach meinen Maßstäben - normaler Mann war, wenn man den Gerüchten glauben durfte.
    Die Kutsche kam zum Stehen; es blieb wenig Zeit für weitere Überlegungen. War ich im Begriff, dafür zu sorgen, daß der Mann, der Mary Gewalt angetan hatte, ungeschoren davonkam, und darüber hinaus, daß Jamies Todfeind in Sicherheit gebracht wurde? Zitternd vor Aufregung holte ich tief Luft. Mir blieb verdammt noch mal keine andere Wahl. Was jetzt zählte, war das Leben. Die Gerechtigkeit mußte warten, bis ihre Zeit gekommen war.
    Der Kutscher stieg ab, um den Wagenschlag zu öffnen. Ich biß mir auf die Lippen und sah Dougal MacKenzie an. Er erwiderte meinen Blick mit einem Achselzucken. Was wollte ich eigentlich von ihm?
    »Verbürgst du dich für meine Geschichte?« fragte ich abrupt.
    Er sah zum dunklen Massiv des Quai des Orfèvres empor. Durch die offene Tür fiel strahlendes Tageslicht herein.
    »Bist du dir sicher?«
    »Ja.« Mein Mund war trocken.
    Er rückte näher

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