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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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würde, obwohl Rom besser wäre - ungefährlicher, Sie verstehen?«
    »Verstehe.« Ich nahm mir selbst ein Würstchen. Sie waren kräftig gewürzt, und bei jedem Bissen stieg mir der Knoblauchduft in die Nase. »Und diese Personen nehmen die Freundschaft ernst genug, daß sie, wenn mein Gatte sie aufkündigt, als Gegenleistung die Niederschlagung der Anklage bieten? Warum? Mein Gatte spielt keine bedeutende Rolle.«
    »Im Augenblick nicht«, bestätigte der Herzog. »Aber in naher Zukunft könnte er an Bedeutung gewinnen. Er hat Verbindungen zu einflußreichen französischen Bankiersfamilien, und mehr noch zu Kaufleuten. Außerdem wird er bei Hofe empfangen, und Louis würde ihm vielleicht sein Ohr leihen. Kurz, wenn er auch zur Zeit noch nicht die Möglichkeit hat, erhebliche Mittel flüssig zu machen und entsprechenden Einfluß auszuüben, so wird das wahrscheinlich bald der Fall sein. Zudem gehört er nicht einem, sondern zwei mächtigen Highland-Clans an. Und jene Kreise, die an der Rückkehr der fraglichen Persönlichkeit nach Rom interessiert sind, hegen die nicht unbegründete Befürchtung, daß dieser Einfluß in unliebsamer Richtung ausgeübt wird. Um so besser, wenn der gute Ruf Ihres Gemahls wiederhergestellt wäre und er auf sein Gut nach Schottland zurückkehren könnte, finden Sie nicht auch?«
    »Ein interessanter Gedanke«, sagte ich. Und gleichzeitig ein attraktiver Bestechungsversuch. Jede Verbindung zu Charles Stuart abbrechen und ungehindert nach Schottland, nach Lallybroch zurückkehren, ohne Gefahr zu laufen, gehängt zu werden. Einen möglicherweise lästigen Anhänger der Stuarts loszuwerden, ohne daß es die Krone einen Pfennig kostete, war auch für die englische Seite ein nicht zu verachtender Handel.

    Prüfend blickte ich den Herzog an und versuchte herauszufinden, welche Rolle ihm bei diesem Szenario zukam. Vorgeblich ein Abgesandter Georges II, des Kurfürsten von Hannover und Königs - solange James Stuart in Rom blieb - von England, konnte der Herzog mit seinem Frankreichbesuch durchaus zwei unterschiedliche Ziele verfolgen - Louis in jenen heiklen Austausch von Höflichkeiten und Drohgebärden verwickeln, der das Wesen der Diplomatie ausmachte, und gleichzeitig das Gespenst einer neuen jakobitischen Erhebung bannen. Nicht wenige aus dem Kreis um Charles Stuart waren in letzter Zeit verschwunden - unter dem Vorwand, im Ausland erwarteten sie dringende Geschäfte. Hatte man sie gekauft oder ihnen Angst eingejagt?
    Die höfliche Miene des Herzogs gab keinen Aufschluß über das, was er dachte. Er schob die Perücke zurück und kratzte sich unbefangen den kahlen Schädel.
    »Denken Sie darüber nach, meine Liebe. Und dann sprechen Sie mit Ihrem Gatten.«
    »Warum sprecht Ihr nicht selbst mit ihm?«
    Er zuckte die Achseln und nahm sich noch drei Würstchen. »Ich habe schon oft festgestellt, daß Männer ein Wort aus dem Kreis der Familie, von einem Menschen, dem sie vertrauen, bereitwilliger annehmen als von einem Außenstehenden, der den Anschein erweckt, sie unter Druck zu setzen.« Er lächelte. »Auch die Frage des Stolzes muß bedacht werden - das verlangt Feingefühl. Und was das nötige Feingefühl betrifft, nun, man spricht nicht umsonst vom ›weiblichen Geschick‹, oder?«
    Ich fand keine Zeit, darauf zu antworten, denn aus dem Hauptstall drang ein Schrei, der alle Aufmerksamkeiten auf sich zog.
    Auf dem schmalen Weg, der den Hauptstall mit dem langgezogenen, offenen Bau verband, in dem sich die Schmiede befand, kam uns ein Pferd entgegen. Es war ein Percheron-Hengstfohlen, nicht älter als zwei, drei Jahre. Selbst junge Percherons sind groß, und das Tier kam mir riesig vor, als es ohne Hast hierhin und dorthin trabte und mit dem Schwanz schlug. Offensichtlich war das Pferd noch nicht zugeritten. Die breiten Schultern zuckten in dem Versuch, die kleine Gestalt abzuwerfen, die rittlings auf dem Tier saß und sich mit beiden Händen an der dichten, schwarzen Mähne festklammerte.
    »Zum Teufel, es ist Fergus!« Die Damen waren, aufgeschreckt
durch das Geschrei, inzwischen alle auf den Beinen und beobachteten die Szene neugierig.
    Ich bemerkte nicht, daß die Männer zu uns getreten waren, bis eine der Damen rief: »Wie gefährlich das aussieht! Bestimmt verletzt sich der Junge, wenn er stürzt!«
    »Wenn er sich beim Sturz nicht weh tut, dann werde ich mich darum kümmern, sobald ich den kleinen Mistkerl in die Hände bekomme«, bemerkte eine erboste Stimme hinter mir. Als ich

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