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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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persönlich?« Die Augen des alten Simon blitzten unter halbgeschlossenen Lidern hervor, als er sich in seinem Stuhl zurücklehnte. Die Flammen flackerten hell, und das Harz des brennenden Kiefernholzes verbreitete einen durchdringenden Geruch, der sich mit dem dicken Rauch vermischte.
    Der Feuerschein warf Jamies Schatten an die Wand, während er nervös auf und ab ging. In der Bibliothek war es stickig und düster, die Vorhänge waren bereits zugezogen - ein völlig anderer Schauplatz als der sonnige, offene Kirchhof, auf dem Colum Jamie die gleichen Fragen gestellt hatte. Und auch die Umstände hatten sich verändert: Charles war nun nicht mehr der von allen geliebte Prinz,
dem man sich freiwillig anschloß, sondern er sandte nach den Clanoberhäuptern und rief sie in aller Strenge auf, ihm zu folgen. Doch es ging immer noch um dasselbe - und das Problem hing düster, ungreifbar und wie ein Schatten über uns.
    »Ich habe dir gesagt, was ich denke - mehr als ein dutzendmal.« Jamie sprach abgehackt und zuckte ungeduldig mit den Schultern, als wäre ihm sein Hemd zu eng.
    »Oh, aye. Das ist richtig. Aber diesmal, glaube ich, werden wir die Wahrheit hören.«
    Der Alte lehnte sich bequem in seinem gepolsterten Stuhl zurück und verschränkte die Hände über dem Bauch.
    »Tatsächlich?« Jamie lachte und sah sich seinen Großvater an. Er stellte sich neben den Tisch und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Trotz der Unterschiede in Haltung und Statur war eine knisternde Spannung zwischen den beiden Männern spürbar, die ihre Ähnlichkeit unterstrich. Der eine groß, der andere untersetzt, beide aber stark, starrköpfig und entschlossen, aus der Auseinandersetzung als Sieger hervorzutreten.
    »Bin ich denn nicht dein Blutsverwandter? Und dein Oberhaupt? Ich verlange nichts von dir als Loyalität.«
    Das also war der Punkt. Colum, bestens vertraut mit körperlicher Schwäche, hatte gewußt, wie man die Schwächen der anderen für eigene Zwecke einsetzt. Simon Fraser, auch im hohen Alter noch stark und tatkräftig, war es gewohnt, auf direktem Weg ans Ziel zu gelangen. Als ich Jamies säuerliches Grinsen sah, wußte ich, daß auch er in Gedanken Colums eindringlichen Appell mit der barschen Forderung seines Großvaters verglich.
    »Ach, tatsächlich? Ich erinnere mich nicht, dir einen Eid geleistet zu haben.«
    Aus Simons Augenbrauen sprossen borstig einige lange Härchen, wie oft bei älteren Männern. Sie erzitterten im Schein des Feuers, ob aus Wut oder Erheiterung über Jamies Frechheit, war nicht zu sagen.
    »Einen Eid also? Und das Fraser-Blut - fließt etwa kein Fraser-Blut in deinen Adern?«
    Jamies Mund verzog sich schmerzlich, als er antwortete: »Es heißt, daß ein kluges Kind seinen Vater kennt, nicht wahr? Meine Mutter war eine MacKenzie; soviel steht fest.«
    Simons Gesicht wurde dunkelrot, und seine Stirn legte sich in
Falten. Dann öffnete er den Mund und fing an, schallend zu lachen. Er lachte so sehr, daß er sich schließlich im Stuhl hochziehen mußte und nach Luft rang. Außer sich vor Heiterkeit schlug er mit einer Hand auf die Stuhllehne, griff mit der anderen in seinen Mund und holte seine falschen Zähne heraus.
    »Pff«, spuckte er, keuchend und schnaufend. Tränen standen ihm in den Augen, und aus seinem Mund tropfte Speichel; er tastete mit der Hand nach dem Tischchen neben sich und ließ das Gebiß auf die Kuchenplatte fallen. Seine knorrigen Hände ergriffen eine Leinenserviette, die er sich aufs Gesicht preßte, immer noch grunzende Laute der Erheiterung ausstoßend.
    »Herr im Himmel, Junge«, lispelte er zahnlos. »Reich mir den Whisky.«
    Jamie nahm mit hochgezogenen Brauen die Karaffe vom Tisch und reichte sie seinem Großvater, der den Stöpsel herauszog und einen herzhaften Schluck nahm, ohne sich die Mühe zu machen, ein Glas vollzuschenken.
    »Du glaubst also, du bist kein Fraser?« sagte er und ließ die Karaffe sinken. »Ha!« Er lehnte sich wieder im Stuhl zurück, und sein Bauch bewegte sich schwer, während er versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Mit seinem langen, knochigen Finger zeigte er auf Jamie.
    »Dein Vater stand genau da, wo du jetzt stehst, mein Junge, und er sagte haargenau dasselbe, an dem Tag, an dem er Burg Beaufort für immer verließ.« Der Alte beruhigte sich allmählich. Er hustete mehrmals und wischte sich erneut übers Gesicht.
    »Wußtest du, daß ich versucht habe, die Heirat deiner Eltern zu verhindern, indem ich behauptete, Ellen MacKenzies

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