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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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Kampfzone vor, der eine Triage vornehmen und Männer zusammenflicken muss, damit sie von Neuem verletzt werden. Nur dass es hier um Trucks geht, um große, dumme Brocken, die viel wichtiger und verletzlicher sind als jeder Mensch. Schmale Augen starren mich aus seinem schmalen Gesicht an, eine genau bemessene Prise vorwegnehmender Missbilligung macht sich einsatzbereit. Missbilligung, vorwegnehmend, 1x aus dem Lager entnommen.
    »Was willst du?« Der schmale Mund bewegt sich gerade so weit, um die Worte zu formen, und nebenbei macht er sich weiter Notizen, weil Zeit wenn schon nicht Geld, dann doch wenigstens etwas ist, das man nicht verschwenden sollte. Wahrscheinlich notiert er jetzt gerade nicht anrechenbare Zusatzleistungen. Pete wäre ein unmöglicher Boss. Er stellt niemanden ein, der nicht völlig unterwürfig wäre. Wenn ich jemals König der Welt werde, dann werde ich mit absoluter Sicherheit dafür sorgen, dass kein einziger Pete in meiner Regierung sitzt. Würde sich Pete für irgendetwas anderes als Trucks und Präzision interessieren, er wäre ein Monster. So aber ist er nur ein Elementargeist des heiligen Verbrennungsmotors.
    »Ich fahre mit Gonzo. Bin sein Beifahrer.«
    »Hab dich noch nie gesehen.«
    »Ich versuche einfach, niemandem auf den Wecker zu gehen.« Offenbar war das eine gute Antwort, weil mir der missmutige Pete nickend zu verstehen gibt, dass ich soeben von »Bedrohung« zu »Belästigung« herabgestuft worden bin. »Belästigung« ist ein weites Feld, zu dem auch zahlende Kunden gehören. Er steckt den Stift weg. Ich zeige ihm mein Firmenabzeichen, eines der wenigen Dinge, die K nach Gonzos radikaler Umgestaltung meiner Kleidung und meines Körpers aus dem traurigen kleinen Haufen blutiger Lumpen retten konnte, die einmal mein gutes Hemd und meine Hosen gewesen waren. Anteilseigner steht auf dem Schild, weil ich das bin. Anteilseigner haben Zugang zum Besitz der Firma. So steht es im Firmenvertrag. Pete weiß das. Deshalb werde ich jetzt noch weiter herabgestuft und gelte als »Belästigung mit berechtigtem Anliegen«. Wir alle sind Freunde, falls denn der missmutige Pete diese Bezeichnung überhaupt akzeptieren würde. Er zieht seine linke Hand, die neben einem großen Schraubenschlüssel ( Nahkampfwaffe, 1x) müßig auf den Tisch pochte, zurück und steht auf.
    »Wie soll ich dich nennen?«, will er wissen. Damit meint er nicht meinen Namen, sondern denjenigen, den er in seinen Akten notieren soll. Pete braucht keine überflüssigen Informationen. Nur die Formalitäten sind zu beachten. Man kann ihm keinen Vorwurf machen. Ich denke darüber nach, und da ich im Augenblick niemand Besonderes bin und weil es gerade in Mode zu sein scheint, sage ich: »K«, worauf er Kaye als Nachnamen notiert. Ich korrigiere ihn nicht, und er überprüft es nicht. Zusammen gehen wir in den Hauptraum der Werkstatt.
    »Nummer siebenunddreißig«, erinnere ich ihn. Er nickt wortlos.
    Unser alter Truck – mein alter Truck – steht in Parkbucht 37. Er ist groß und hässlich. Nicht einmal Petes Werkstatt konnte das Ding vollständig säubern. Der Dreck ist ein Teil der Bemalung. Die Auspuffrohre sind nicht verchromt. Ich habe »sie« in einer ausgebrannten Scheune gefunden, als wir noch auf der Piper 90 arbeiteten, und den ganzen Sommer damit verbracht, sie zu zerlegen und wieder zusammenzubauen. Die Sitze bestehen aus Kunstleder und haben Löcher, weil irgendjemand mit einem Kugelschreiber hineingestochen hat. An den Kanten sehe ich kleine Kritzeleien – Blumen, Gesichter und Geschlechtsorgane. Es gibt kein Kassettendeck und keine Klimaanlage, aber über dem Lenkrad ist ein Gewehrhalter, und der Motor geht niemals aus, bevor man sein Ziel erreicht hat.
    Annabelle, der Truck. Mein letzter alter Freund auf der Welt.
    Ich unterschreibe Petes Zettel (fest aufdrücken, die Durchschläge in Blau, Rosa und Gold müssen sauber lesbar sein. Pete hat Kohlepapier eingelegt, damit ich eine weiße Kopie bekomme und er ein gutes Exemplar für sein neues Mikrofilmsystem erhält). Dann marschiert er davon, ohne Lebewohl oder Danke zu sagen. Pete hält nichts von Pflege der Kundenbeziehungen. Ich streichle das Lenkrad.
    Das Gongfu des Stummen Drachen ist ein weicher Stil. Mit entspannten Muskeln und offenem Geist folgt man den Bewegungen des Gegners und reagiert auf seine Anspannung, bevor er den Schlag ausführt. Man bemüht sich, den Kontakt zu halten, lernt den Feind kennen und verstehen und kann ihn deshalb auch

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