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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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genau wie Ryman gesagt hatte. Aber keiner von beiden interessierte sich für die Theorie.
    Also erklärte ich ihnen detailliert, dass WANTAC, worin Stagg und die anderen jeglichen Glauben verloren hatten, der Schlüssel zu allem war. Die scheinbar diskontinuierlichen Messwerte (diskontinuierlich zu ihrer Umgebung) waren in Wirklichkeit Anzeichen eines Schönwettermusters auf kleinerer Skala innerhalb des viel größeren, außergewöhnlichen Schlechtwettermusters. Das bedeutete nicht, dass Kricks allgemeiner Optimismus berechtigt war - die schlimmste Folge von Sommerstürmen der letzten zwanzig Jahre würde bald über dem Kanal losbrechen und einen Tag lang wüten -, doch es bedeutete, dass wir eine Chance hatten.
    »Es wird diese Lücke geben«, sagte ich. »Ich bin mir sicher, dass eine Sturmpause kommt. WANTAC liefert keine falschen Werte, sondern es beschreibt nur eine Bewegung auf einer anderen Skala als der, auf die wir uns konzentrieren. Wenn die Deutschen auch nur die große Depression sehen und nicht das Zwischenhoch an ihrem Rand, dann haben wir einen taktischen Vorteil. Dann erwarten unsere Gegenspieler nur das vorherrschende Schlechtwetterphänomen und nicht dessen Unterbrechung.«
    Am Ende meiner Ausführung bekam ich nicht die überwältigende Würdigung, die ich mir erhofft hatte. Stagg wirkte unsicher, aber Yates grinste. »Hoffen wir, dass Sie recht haben. Los, gehen wir essen.«
    Beim Frühstück hörten wir, dass die ersten alliierten Truppen Rom betreten hatten. Es sollte die erste europäische Hauptstadt werden, die den Nazis wieder entrissen wurde, doch wir vergaßen es schnell wieder. Wir alle dachten nur an den D-Day. Ich bestätigte Yates und Stagg, dass ich, wie vorgeschlagen, mit den amerikanischen Wetterbeobachtern an der Invasion teilnehmen wollte. Ich erzählte ihnen, dass ich genug vom Telefonieren hatte und dass es meteorologisch wie auch persönlich sehr interessant werden würde zu sehen, wie weit das Wetter vor Ort mit unseren synoptischen Vorhersagen für größere Gebiete übereinstimmte.
    »Vielleicht nicht unbedingt so interessant, dass man sich dafür umbringen lassen sollte«, kommentierte Yates, der von uns noch am ehesten als Soldat durchgegangen wäre.
    »Sind Sie sich wirklich sicher?«, fragte auch Stagg. »Lassen Sie sich nicht drängen.«
    »Ich bin mir sicher«, antwortete ich selbstbewusst. »Ich will meine Theorie selbst auf die Probe stellen. Das Verhältnis, das ich erarbeitet habe, die Ryman-Zahl, wegen der hatte Sir Peter mich nach Schottland geschickt. Und ich glaube, ich habe sie durch eine merkwürdige Vermeidung detaillierter Berechnungen wirklich gefunden. Ich will die Ergebnisse in der Praxis sehen.«
    Yates sagte, er werde einen Wagen anfordern, der mich zur amerikanischen Wetterstaffel bringen sollte, die in Berkshire auf den Marschbefehl wartete.
    Nach dem Frühstück kehrten wir gleich zur Hütte zurück und brüteten noch einige Stunden über den neuesten Wetterkarten. Zur allgemeinen Erleichterung bezog sich in dieser Zeit der Himmel. In einigen Stunden würde es stark regnen. Dann hielten wir die Sonntagmorgen-Telefonkonferenz ab, bei der sich Dunstable und Widewing wie gewohnt stritten.
    Holzman und Krick gingen davon aus, dass ein Hochdruckgebiet in der Nähe von meinem - aber nicht gleich meinem bei WANTAC - den Kanal abschirmen werde. Petterssen machte sich Sorgen wegen der schnellen Entwicklung des zweiten Sturms - Sturm E - über dem Atlantik; doch jetzt glaubte er, dass er uns nicht so schnell erreichen werde, wie vormals gedacht. Die Admiralität war seiner Meinung.
    Ich erzählte von meiner Arbeit mit den WANTAC-Instrumenten, und mein optimistischer Ausblick floss mit energischer Unterstützung der amerikanischen Abordnung in die Diskussion ein. Außer der technischen Vorbereitung der Telefonkonferenz war das wohl der Zeitpunkt, an dem ich meinen Beitrag zum Ganzen leistete. Zu einem großen Teil ging es nur um Sprache, um
Überzeugung,
darum, dass die anderen einem die Geschichte glaubten, die man erzählte. Selbst die Worte, die man dafür auswählt, können entscheidend sein. Denn was ist schon der Unterschied zwischen »einer realistischen Möglichkeit«, »so nah wie wir einer Gewissheit in Anbetracht der Umstände kommen können« und »unsicher aber machbar«?
    In diesen Grenzbereichen bewegten wir uns, was die extreme Komplexität und Seltenheit dieser Wetterlage verglichen mit einem typischeren Juni widerspiegelte. Die allgemeine

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