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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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Von innen wie von außen lauert die Unordnung stets darauf, sich auf uns zu stürzen. Das Scheitern ist allzeit bereit. Es braucht nur einen kleinen Stoß gegen den Stein unserer Selbstbeherrschung, und schon ist die ganze Unternehmung gefährdet. Manchmal ist die Erinnerung das Einzige, was das Individuum zusammenhält: zugleich Gruft und Grundpfeiler.
    Doch kann man nicht in der Vergangenheit leben. Man muss sich erlauben zu wachsen. Und genau deshalb ist die Bedrohung durch totale Unordnung notwendig: Sie fördert das Blattwerk unfertiger Zustände, dieser geistigen Tarnungen, die unseren statistischen Schutz vor künftigen Risiken erhöhen. Wäre das geistige System geschlossen, gäbe es nicht die
ständige
Gefahr der Niederlage, würde es sich mangels Aufgabe auflösen.
    In dieser nachdenklichen Stimmung hievte ich mich aus der Wanne, stand nackt vor dem Spiegel, trocknete mir die Haare mit einem Handtuch und holte mein Rasierzeug heraus. Ich war damals recht schlank - dafür sorgte die Rationierung -, und trotz der anhaltenden Effekte der vorabendlichen Ausschweifungen konnte ich mich mit so etwas wie Gleichmut im Spiegel ansehen. Als ich meine dunklen Augen betrachtete, sah ich einen Moment lang das Gesicht des Jungen, der in Kasungu unter dem blauen Eukalyptus herumgerannt war und die Störche von ihrem Baum verscheucht hatte, dass es nur so flatterte.
    Während die schwarzen Stoppeln sich lösten und die Seifenschaumschlieren sprenkelten, gewann ich etwas von dem Gefühl der Dringlichkeit zurück, das ich brauchen würde, um mich wieder der Aufgabe zu widmen, die Sir Peter mir anvertraut hatte.
    Ich schob den Vorhang zur Seite und sah nach dem Wetter draußen. Genau wie Krick es vorhergesagt hatte, war der Schnee fast völlig verschwunden. Sogar die Sonne schien etwas. Von dem Schneesturm waren nur noch Pfützen und tropfendes Mauerwerk mit vereinzelten weißen Flecken auf geschützten Vorsprüngen oder zwischen versetzten Dachziegeln geblieben.
    Ein gefleckter und geströmter Mischlingshund durchstöberte vom Wind umgeworfene Mülltonnen in der Gasse hinter dem Hotel, in der das Wasser stand. Er zog verschiedene nasse Dinge heraus, prüfte sie kurz auf ihre Essbarkeit und trottete dann weiter durch das Chaos zum nächsten undefinierbaren Gegenstand. Zumindest von mir aus gesehen undefinierbar.
    Chaos, Tohuwabohu, Turbulenz ... auch hier ist die Frage der Perspektive entscheidend. Man könnte wieder fragen, was sie denn ist, diese Sache, der ich mein Leben widme.
    Auf einer Ebene ist sie einfach. Turbulenz ist das wabernde, strudelnde Verhalten von Gasen oder Flüssigkeiten, die um ein Objekt strömen (das auch ein anderes Gas oder eine andere Flüssigkeit sein kann). Rätselhafter ist es, dass es sich aus einer Perspektive um einen vorhersagbaren Prozess handelt, der aus einer anderen Perspektive oder über einen anderen Zeitraum betrachtet ungeordnet und unvorhersagbar wird.
    Ich zog mein Hemd und meinen Anzug an, knotete meine Krawatte - eine dunkelgrüne mit Punkten -, band mir die Schnürsenkel und packte wieder meinen Koffer. In gewisser Hinsicht hatte es gar nicht schlecht geklappt, schließlich hatten die Amis mich im Auto mitgenommen und direkt in ein Hotel gebracht.
    Nachdem ich nach unten gegangen war, gefrühstückt und zwei Tassen starken Kaffee getrunken hatte, war ich abreisebereit. Ich sah mich nach Krick und seinem Mitarbeiter um, als ich meine Rechnung bezahlte, aber sie waren nirgends zu sehen. Sind bestimmt schon zum Flughafen gefahren, dachte ich und ging selbst hinaus in das Gewirr der Straße.
    Draußen überraschte mich ein Gewusel aus Geschäftsleuten, Menschen beim Einkaufen und Soldaten. Als ich die griesgrämige Menge durch die geschmolzenen Reste des Schnees stapfen sah, wurde mir klar, dass Schottland für jemanden wie mich genauso gut ein fremdes Land hätte sein können. Andererseits kam es mir in England auch oft so vor, was bei vielen der Fall ist, die in den Kolonien aufgewachsen sind. Es war, als wären wir in eine andere Heimat zurückgekehrt als die, die wir uns die ganze Zeit vorgestellt hatten.
    Ich konnte all die geschniegelten Offiziere nicht ausstehen, aber die Arbeiter kamen mir auch nur grob und dumm vor. Viele der Intellektuellen hielten nicht viel von Wissenschaft, was mich wütend machte. Wahrscheinlich hatte ich auch deshalb nicht das Gefühl, dazuzugehören, weil ich katholisch erzogen worden und Halb-Ire war; wenn ich mich überhaupt irgendwo zu Hause

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