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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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ein übergroßer Weihnachtsengel. Neben ihr in dem Behälter zischte und gurgelte das Wasserstoffrezept.
    Die Reaktion erreichte ihren Höhepunkt. Gwen holte einen leeren Ballon aus ihrer Uniformjacke, kniete sich neben den Behälter und rollte die Öffnung langsam über den Schlauchstutzen. »Man muss ihn ganz vorsichtig drüberrollen«, sagte sie.
    »Sonst kann alles in die Hose gehen«, fügte Joan von ihrem Sockel hinzu.
    Ich sah, wie der Ballon sich langsam blähte.
    »Wasserstoff«, sagte Gwen, während sie den Ballon zwischen den Handflächen hielt. »Das leichteste Element im Universum, ta-daa, ta-daa.«
    »Und das am weitesten verbreitete«, merkte Joan an und trat von dem Gewicht herunter, als die Reaktion nachließ. »Sieben Kilo in jedem menschlichen Körper.« Sie hörten sich wie Varietekomiker an, die auf eine Pointe zusteuerten.
    Gwen rollte den Ballon von seinem Nabelschlauch, verknotete ihn und ließ ihn los. Er tanzte hinauf an den Leuchtstoffröhren vorbei zum höchsten Punkt der Decke.
    »Wie bekommen Sie ihn wieder herunter?«, fragte ich mich laut, während ich nach oben sah.
    »Kommen Sie mit, wir zeigen es Ihnen«, forderte Joan mich auf.
    Ich stand in der Mitte des Schuppens. »Der ist doch hochexplosiv. An den Lampen könnte er sich entzünden.«
    »Nur wenn es einen Funken gibt«, erwiderte Gwen. »Kommen Sie.«
    Ich folgte ihnen durch den höhlenartigen Schuppen und die schmale Treppe hinauf zu dem Giebel mit dem Balkon. Nachdem wir durch eine offene Falltür gestiegen waren, sah ich, dass mehrere Stahlplatten als Fundament für eine Konstruktion mit dem Holzboden vernietet waren. Es war recht dunkel dort oben, aber ich konnte den Turm des Wolkenscheinwerfers ausmachen. Darunter lagen zwei dünne Matratzen mit Kopfkissen und Decken nebeneinander. Ich war überrascht, meine Gedanken rasten ... Sie hatten mich doch nicht etwa in ihr Schlafzimmer gebracht?
    »Manchmal schlafen wir abwechselnd eine Weile, wenn wir Dienst haben«, erklärte Gwen. Sie knipste eine kleine Lampe an: bloß eine nackte Glühbirne an einem der Balken.
    In dem neuen Licht sah ich zwei kleine Schälchen mit Make-up auf dem Boden und einen Standspiegel, der mit Kleidern verhängt war. Darunter lag ein kleiner Haufen Schuhe. Dort oben gab es auch eine Staffelei und einen Stoß Leinwand sowie eine Palette mit vertrockneter Ölfarbe in verschiedenen Tönen, Marmeladengläser voller Pinsel und ein Holztablett mit halbvollen Farbtuben.
    »Wir malen hier oben auch«, sagte Gwen. »Wir sind nämlich Künstlerinnen.«
    Noch überraschter sah ich mir das Bild auf der Staffelei an. Darauf war ein langer gelber Strand mit Brandung entlang der Krümmung einer Bucht zu sehen. Zwischen den Meerwasserpfützen im Sand sprangen zwei schwarze Hunde und jagten ihre salzwassernassen Schwänze. Die gekräuselten Schwänze und die brechenden Wellen waren wie Spiegelbilder, als sollte eine Beziehung zwischen den beiden vermittelt werden. Hinter den Hunden verschmolzen Blau-, Gelb- und Grüntöne in verschiedenen Variationen mit dem leuchtenden Horizont.
    »Wirklich ziemlich gut«, sagte ich, als ich bemerkte, dass die beiden mich erwartungsvoll ansahen.
    »Das reicht nicht«, erwiderte die dünne Gwen, und einen Moment lang fragte ich mich, ob sie damit meinen Kommentar meinte und nicht das Bild selbst.
    »Das tut es nie«, sagte Joan. »Möchten Sie einen Tee?«
    »O ja, gerne«, antwortete ich. »Wer von euch hat es gemalt?«
    »Wir malen zusammen«, erwiderte Gwen stolz. »Das ist ungewöhnlich.«
    »Kann sein. Wir machen es aber so. Wenn dieser schreckliche Krieg irgendwann mal vorbei ist, bewerben wir uns bei der Slade School.«
    »Was meinen Sie, wie wir es nennen sollen?«, fragte Joan mich.
    Ich sah mir das Bild wieder an. »Hunde im Schaum«?, schlug ich vor, und die beiden prusteten laut los.
    Auf einem niedrigen Tisch neben dem Spiegel stand alles, was man brauchte, um Tee zu kochen. Joan setzte einen kleinen Kessel auf. Etwas verschämt warteten wir, dass das Wasser endlich heiß wurde.
    »Was sagt eigentlich Whybrow dazu?«, fragte ich.
    »Wozu?«, erwiderte Gwen.
    »Zu diesem kleinen Versteck hier oben.«
    »Ach, dagegen hat er nichts«, antwortete Joan und goss das heiße Wasser in eine Teekanne.
    »Er traut sich nicht, etwas zu sagen«, sagte Gwen. »Wir glauben, er hat Angst vor uns.«
    »Im Ernst?«
    »Er sagt, wir beunruhigen ihn«, erklärte Joan und goss Tee in einen Becher, den sie mir reichte. »Warum?«
    Ich bekam

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