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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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keine Antwort. Während wir tranken, sah ich mir den Stahlfachwerkturm an, der wie ein Strommast vom Boden bis zum Dach ragte, wo über ihm eine Doppelfalltür eingesetzt war. Das Glas des Scheinwerfers und einige meteorologische Messgeräte hingen an einer Schiene in der Mitte des Turms, der sich mit einem Kurbelgetriebe aufrichten ließ.
    »Darf ich den mal im Einsatz sehen?«, fragte ich.
    »Tagsüber braucht man ihn nicht«, sagte Gwen. »Und nachts lockt er Bomber an, aber eigentlich machen wir nur die hier auf ...« Sie stieg auf den Turm und entriegelte eine Seite der Falltür, die mit lautem Knall aufklappte. Kalte Luft strömte herein. Ich konnte den Himmel sehen - und Gwens Waden.
    Verlegen sah ich schnell wieder nach unten und hoffte, dass Joan neben mir nichts merkte. Aber sie hatte es wohl mitbekommen. Ich war mir sicher, dass sie grinste. Langsam vermutete ich, dass das Ganze nur für mich inszeniert worden war. Oder für die beiden selbst. War ich hereingelegt worden? Ich verstand langsam, warum Whybrow sie beunruhigend fand. Sie wirkten wie Frauen, die Männer um den Finger wickeln können und sich einen Spaß daraus machen.
    Es gab einen weiteren Knall, als Gwen die zweite Falltür öffnete. Joan nahm einen Metallgriff in die Hand und fing an, das Schneckengetriebe anzutreiben, das den Turm aufrichtete. Er erhob sich wie eine Theatermaschine. Ich sah zu, wie Gwen mit dem Turm weiter stieg, bis ihr Kopf in der Luke verschwand. Direkt vor meinem Gesicht konnte ich durch eine Seidenstrumpfhose ihre Knöchel sehen. Mich überkam die pure Lust.
    »Huch, ist das kalt hier oben«, rief sie.
    Ich starrte. Es hatte etwa Hypnotisches, wie der Stoff - einem Graphen ähnlich, einer stetigen Funktion - den Linien von Haut und Knochen folgte.
    Noch schlimmer wurde es, als Joans Hand mir über den Rücken strich, als sie nach dem Griff des Schneckengetriebes fasste. »Helfen Sie mir mal?«, bat sie, als sie wieder mit dem Kurbeln angefangen hatte. »Mein Handgelenk tut weh.«
    Also kurbelte ich den Turm - und Gwen - wieder herunter. Joan hatte recht. Auch trotz des Getriebes ging es ziemlich schwer.
    »Im Sommer riecht der Wind hier oben nach Jasmin«, sagte Joan.
    »Wie romantisch«, erwiderte ich.
    »Und im Winter holt man sich Frostbeulen«, fügte Gwen trocken hinzu, während sie neben uns herunterstieg. »Joany, wir müssen jetzt mal den Ballon holen.«
    Ich sah mir über den Balkon den Ballon an der Decke an. Die Leuchtstoffröhren schimmerten seltsam rötlich durch das Gummi wie das Licht einer Taschenlampe durch einen Finger. Gwen nahm eine Stange mit einem gebogenen Stück Metall am Ende - wie ein Bootshaken -, und Joan lehnte sich über den Balkon und hakte den Ballon geschickt ein.
    »Ja«, sagte Gwen, und wir stiegen gemeinsam die Treppe hinunter. »Nein, gib her. Ich mach das.«
    Sie nahm das andere Ende der Stange von Joan entgegen, die dann selbst hinabstieg.
    Gwen öffnete die Tür des Schuppens und ließ das Gas mit einem langen, langsamen Seufzer aus dem Ballon. Ich stellte mir vor, wie die Wasserstoffmoleküle sich in der Atmosphäre verteilten und mit anderen Elementen verbanden.
    »Whybrow hatte etwas gesagt, dass ich mich mit Pyke von der experimentellen Abteilung am Loch soundso treffen soll. Loch ... Loch ...«, sagte ich und trat mit gerunzelter Stirn von einem Bein aufs andere, weil mir der Name nicht einfiel.
    »Eck. Ich zeige Ihnen, wie Sie fahren müssen«, sagte Joan. »Es ist nicht weit. Um diese Zeit ist Pyke meistens da draußen. Wenn er nicht da ist, ist er wahrscheinlich im Hotel Argyll in der Stadt.«
    Ich war froh, dass sie sich angeboten hatte. Denn ich muss zugeben, dass mich (in meinem Unwissen) Joan trotz der Sache mit der Strumpfhose mehr in Wallung brachte als Gwen. Wie die beiden lachen werden, wenn sie das hier jemals lesen!
    Wir gingen durch den Matsch über den alten Hof zum Tor.
    »Woran kann ich Pyke erkennen?«, fragte ich.
    Ich schwang mich auf das Motorrad.
    »Der ist nicht zu verwechseln«, antwortete sie. »Er hat einen zauseligen kleinen Bart und eine Brille. Sieht ein bisschen komisch aus. Trägt ein löchriges Jackett.« Sie kicherte. »Passen Sie bloß auf, sonst werden Sie auch irgendwann so.«
    »Was soll das denn heißen?«, fragte ich beleidigt.
    »Ihr Wissenschaftler seht doch irgendwann alle so aus.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ihr habt keinen Stil. Ihr denkt die ganze Zeit nur an eure Gleichungen.«
    »Ach so«, erwiderte ich und stellte mich der

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