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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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gekrümmt und starrten fassungslos den Inhalt an, der wie Zuckersirup oder Motoröl aussah.
    Pyke, Brecher und ich setzten uns und tranken das Gleiche. In einer Ecke des Raums fiel mir eine hölzerne Schneiderpuppe auf, unbekleidet bis auf einen Helm aus der Zeit Lord Kitcheners und - neuerdings, zu Ehren der Gäste - einer Flagge der USA über den Schultern. Es gab auch ein seltsames Ebenholzschränkchen mit zwei gemalten Schlangen auf den Türen, deren Köpfe einander zugewandt und deren Körper regelmäßig miteinander verschlungen waren.
    »Der Hermesstab«, erklärte Pyke, als er mich durch den Rauch die Zwillingsschlangen betrachten sah. »Ein Symbol der gegensätzlichen Kräfte des Universums. Des endlosen Tanzes des Lebens. Der Grund, warum die beste Lösung für jedes Problem im extremsten Gegensatz desselben zu finden ist.«
    Er zeichnete mit dem Finger eine 8 in den Schaum, der auf den Tisch getropft war. Die Zahl verschwand, bevor sie ganz fertig war.
    »Acht. Oder Unendlich. Die Schlange, die ihren Schwanz jagt. Wahrscheinlich die wichtigste Zahl im Universum. Findest du nicht auch, Julius?«
    »Ich glaube, dem Universum ist es ziemlich egal, was wir wichtig finden und was nicht«, kam die Antwort.
    Das Gespräch setzte sich recht ziellos fort, wie es Kneipengespräche eben tun. Brecher sprach von seiner Forschungsarbeit und erwähnte dabei den Übergang von Rhesus-Antikörpern von der Mutter zum Kind durch das Blut. Entweder hat ein Individuum das Rhesusprotein auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen oder eben nicht.
    »Der Fötus kann geschädigt werden, wenn die Mutter Rhesusfaktor negativ und der Vater positiv ist«, sagte er. »Die erste Schwangerschaft mag noch glatt verlaufen, aber mit jeder folgenden wird es problematischer, weil die Antikörper der Mutter das Kind mit positivem Rhesusfaktor angreifen. Diese Mütter bekommen leider nie mehr gesunde Kinder. In der Regel kommt es dann immer früher zu Fehlgeburten.«
    »Rhesos war ein thrakischer König«, sagte Pyke mit ernster Stimme und Bier im Schnurrbart. »Hat ein schlechtes Ende genommen, weil er nicht aufgepasst hat.«
    Irgendwann im wirren Verlauf des Gesprächs fragte ich Pyke nach einem Thema - denn damals wusste ich noch nichts davon -, über das ich mir den Kopf zerbrochen hatte, seit wir unten am Anleger gestanden hatten. Ich erwartete eine Antwort, da ich die beiden ja auch über Ryman informiert hatte.
    »Erzählen Sie mir von Habbakuk«, bat ich. »Sie hatten vorhin davon gesprochen.«
    »Habakuk - mit einem b - ist der Name eines Propheten aus dem Alten Testament.«
    »Eines Magiers«, sagte Brecher.
    »Eines Wundertäters«, fügte Pyke mit schwerer Zunge hinzu. »Denn ich will etwas tun zu euren Zeiten, was ihr nicht glauben werdet, wenn man davon sagen wird.« Sie beide lachten, als ob es sich um einen Scherz zwischen ihnen handelte.
    »Habbakuk mit Doppel-b dagegen ist etwas anderes«, merkte Brecher an. Wieder lachten beide.
    Ich war verärgert, weil ich mich ausgeschlossen fühlte, und es kam mir vor, als würde ich von einem Lev-ähnlichen Tier in einem strudelnden Meer von Alkohol in die Tiefe gezogen, also entschuldigte ich mich schnell und ging. Es war windig geworden, und das Schild vor dem Pub schwang quietschend hin und her. Ich stolperte hinunter zum Anleger und fuhr langsam mit dem Motorrad zurück nach Kilmun, wobei ich dankbar den frischen Fahrtwind im Gesicht spürte.
    Auf der Fahrt kam ich an einem Lastwagen vorbei, der Baumstämme aus den Hügeln transportierte. Es gab hier überall Stahlrutschen wie die bei Mackellars Feld. Drei Waldarbeiter saßen auf den langen Stämmen auf der Ladefläche, ihre Haare und der Stoff ihrer grünen Overalls flatterten im Wind. Als ich nach Hause kam, war es dunkel. Überall auf dem Holy Loch tasteten Suchscheinwerfer mit langen Fingern aus Licht über das Wasser.
     

10.
    Mein »Zuhause« war natürlich die Kate auf der Weide. Mit ausgetrockneter Kehle und schwindlig vom Bier warf ich mich ins Bett. Während die Wolken hoch hinter meinem vorhanglosen Fenster vor dem Mond vorbeizogen, dachte ich an Lev den Seelöwen, Habakuk den Propheten - und wieder an Ryman, jenen anderen Propheten, den ich noch nicht kennengelernt hatte.
    Durch den feuchten Film auf der Scheibe sah ich, wie die blaugrauen Wolken den Mond zeitweilig verschleierten - rastlos schimmerten und zuckten, wobei sie manchmal wie Muster vor der Dunkelheit wirkten und manchmal selbst wie der Hintergrund eines

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