Die geraubte Braut
Morgenmantel fast verschwand, war es doch ein sinnliches und intimes Bild.
Juno sprang zur Begrüßung um die Beine Portias, als wäre es ein Wiedersehen seit langer Zeit, und Will richtete sichtlich erleichtert seinen Blick auf den Hund. »Teufel noch mal, wie hässlich er ist. Woher kommt er?«
»Ich habe sie mitgebracht. Sie heißt Juno.« Portia humpelte zum Tisch und sog hungrig den köstlichen Duft ein. »Könnt Ihr mir eine Weile Gesellschaft leisten, Will? Ich möchte Euch ein paar Fragen stellen.«
»Kann nicht Rufus sie beantworten?« Will sah aus, als sei er in Teufels Küche geraten.
Portia nahm einen Schluck Ale und brach ein Stück Brot ab. »Was muss man tun, um Soldat der Decatur-Miliz zu werden?«
Das Thema war so unverfänglich, dass Will sofort erleichtert aufatmete.
»Also, erstens muss man einen Eschenbogen spannen können und ein Ziel auf fünfundzwanzig Metern Entfernung treffen«, begann er unter Zuhilfenahme seiner Finger aufzuzählen.
»Zweitens ein Kavallerieschwert handhaben können. Drittens muss man innerhalb von zwei Minuten eine Muskete abfeuern und nachladen können … und ein Ziel auf zwanzig Schritt Entfernung treffen. Viertens muss man mit einer Pike umgehen können.«
Das war eine eindrucksvolle, um nicht zu sagen, beängstigende Liste an Leistungsvorgaben. Portia spießte ein Stück Speck auf ihre Gabel. »Kann man ein leichteres Schwert und einen Weidenholzbogen benutzen, wenn man richtig damit umgeht?«
Will überlegte. »Ich wüsste nicht, warum das nicht gehen sollte. Solange die Kampfgefährten sich auf einen verlassen können …« Er hielt inne und schaute sie neugierig an. »Warum wollt Ihr das wissen?«
»Weil ich Eurer Truppe angehören möchte«, sagte sie ohne Umschweife. »Und Ihr sollt mir alles beibringen.«
Wills Kinnlade fiel herunter. »Ich kann nicht …«
»Wenn Ihr wollt, könnt Ihr«, unterbrach Portia ihn. »Ich bin jetzt schon eine gute Fechterin, und mit dem Messer gehe ich meisterhaft um. Auch als Bogenschützin bin ich ganz passabel. Natürlich habe ich vom Messer abgesehen nie Waffen im Kampf angewendet, aber ich bin dazu bereit.«
»Weiß Rufus davon?« Will konnte es nicht glauben.
»Na ja, er weiß es, und er weiß es nicht«, antwortete Portia sybillinisch. »Trotzdem müsste es vorerst ein Geheimnis bleiben. Ich möchte ihn überraschen.« Sie sah Will listig an. »Ich habe Euch einmal das Leben gerettet. Man könnte sagen, dass ich jetzt die Gegenleistung fordere.«
Ehe Will antworten konnte, ertönte aufgeregtes Geschrei, gefolgt von energischem Poltern an der Tür. »Das sind die Buben«, sagte Will bestürzt. »Sie sind mir nachgelaufen.« Er stand auf und ging an die Tür, um zu öffnen. Zwei kleine, dick eingemummte Gestalten purzelten herein, da sie ihr Gleichgewicht verloren hatten, als sie hochgesprungen waren, um den Riegel zu erreichen.
»Papa kommt«, kreischte Luke und richtete sich auf.
»Er möchte mit Will reden«, erklärte Toby vernünftig. »Du hast dir am Fuß weh getan«, stellte er fest und deutete auf Portia.
»Wie hast du das gemacht?« fragte Luke, der auf den Knien zu Portia rutschte und ihren bandagierten Knöchel eingehend beäugte.
»Ich geriet mit dem Fuß in einen Kaninchenbau«, berichtete sie bereitwillig. Keines der Kinder schien ihre Anwesenheit im Haus ihres Vaters in Frage zu stellen.
»Ach, was ist das denn?« Toby hatte Juno erblickt, die sich hinter dem Holzkorb verkrochen hatte und die fremdartigen kleinen Wesen nervös betrachtete. »Ein Hündchen!« rief er aus, sprang auf und stürzte darauf zu. »Sieh doch, Luke, ein Hündchen!«
Als die jungen unter begeisterten Ausrufen mit ihren ungeschickten Händchen nach ihr fassen wollten, knurrte juno mit gesträubten Nackenhaaren und wich zurück, bis sie fast im Feuer landete.
»Ihr dürft sie nicht erschrecken«, mahnte Portia. »Sie ist ganz klein, und ihr kommt ihr sehr groß vor.«
Die jungen nickten und senkten ihre Stimmen zu einem Flüstern, als sie Juno mit sanften Handbewegungen aus ihrem Schlupfwinkel zu locken trachteten. »Warum kommt sie denn nicht?« wollte Luke wissen.
»Weil du ihr Angst eingejagt hast«, sagte Will. »Wenn ihr sie fasst sie sich vielleicht ein Herz und eine Weile in Ruhe lasst, kommt hervor.«
Die Buben rutschten auf den Knien zurück und hockten sich ein Stück weiter hin, um Juno mit ihren leuchtendblauen Augen zu fixieren.
»Wir wollen unsere Schwerter haben«, erklärte Toby, ohne seinen Blick
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