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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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kennt. Unglaublich, nicht?«
    Beth rührte im Topf und schwieg.
    »Ich meine, ich weiß natürlich nicht, was Glenn daraus machen wird, aber diese Frau, diese Letitia, hatte das Gefühl, Macrae habe ihr das Leben gerettet. Sie gerettet. Das ist doch was, oder? Ich meine, daraus lässt sich doch eine Story machen.«
    Beth schien mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Will fasste es als Erfolg auf: Anscheinend hatte seine Geschichte ins Schwarze getroffen und seine Frau in kontemplatives Schweigen gestürzt.
    »Aber genug davon. Wie war’s bei dir heute?«
    Beth hob den Kopf und hörte auf zu rühren. Sie schaute ihn eisig an.
    »O Gott, gerade wird mir klar –« Beths Zettel heute morgen. Großer Tag heute. Er hatte ihn gelesen und vergessen. Sofort.
    Beth schwieg und wartete darauf, dass er sich erklärte. »Ich bin heute Morgen aus dem Haus gegangen und hab mich in diese Story verbissen. Anscheinend hab ich mein Handy auf stumm gestellt, während ich die Frau interviewte. Hast du mich angerufen?«
    »»Gerade wird mir klar.‹ Wie kannst du das sagen? Es kann dir doch nicht ›gerade klar werden‹. So läuft das nicht, Will. Nicht das.«
    Sie sprach mit einer eisernen Ruhe, die Will Angst einjagte. Dieser Tonfall war Situationen vorbehalten, in denen Beth wirklich wütend war. Vermutlich hatte sie diese stählerne Härte in der psychologischen Ausbildung erworben: Niemals die Fassung verlieren. Auf abstrakter Ebene bewunderte er es, aber wenn er es selbst abbekam, fand er es unerträglich.
    »Ich denke seit Wochen an nichts anderes, und dir wird ›gerade klar‹. Du hast es komplett vergessen!« Jetzt wurde sie lauter. »Du hattest den ganzen Tag –«
    »Ich hab gearbeitet –«
    »Du arbeitest immer, und wenn du nicht arbeitest, denkst du an die Arbeit. Du denkst nicht einmal an das, was das Wichtigste in unserem Leben sein sollte – und ich kann weder essen noch schlafen noch duschen noch sonst etwas tun, ohne daran zu denken.« Ihre Augen wurden feucht.
    »Sag mir, was sie gesagt haben.«
    »So einfach kommst du nicht davon, Will. Wenn du wissen willst, was sie gesagt haben, hättest du mit mir ins Krankenhaus kommen sollen. Du hättest bei mir sein sollen.«
    Diese letzten Worte waren schwer wie Blei. Natürlich hätte er bei ihr sein sollen. Wie hatte er es vergessen können? Sie hatte Recht: Er hatte seit dem Aufwachen an nichts anderes als an diese Story gedacht.
    Er wusste, dass er die Diskussion über Verfahrensfragen – warum hatte er den Termin versäumt? – beenden und zum Inhaltlichen kommen musste: Was hatten die Ärzte gesagt? Aber wie sollte er den Wechsel hinbekommen? Er kannte nur einen Menschen, der sofort wüsste, wie man ein solches Gesprächsmanöver hinbekam und welche psychologischen Tricks dabei halfen. Dieser Mensch war Beth.
    »Baby, ich bin wirklich im Unrecht. Es ist unverzeihlich, dass ich den Termin versäumt hab. Aber ich möchte wirklich wissen, was sich ergeben hat. Über das andere – über mich und meine Arbeit – werden wir reden, das verspreche ich dir. Aber jetzt musst du mir einfach sagen, was herausgekommen ist.«
    Sie hatte sich an den Tisch gesetzt. Den hölzernen Löffel hielt sie noch in der Hand. In einem kaum hörbaren Flüsterton, als habe sie keine Luft mehr in sich, fing sie an zu sprechen. »Sie haben mich gar nicht untersucht; es war nur eine kurze Unterhaltung. Sie meinten, wir sollen es noch drei Monate versuchen, bevor sie eine Behandlung in Betracht ziehen.« Sie schniefte und griff nach einem Papiertaschentuch. »Sie sagen, wir sind beide kerngesund, und wir sollten uns noch Zeit nehmen, bevor wir den nächsten Schritt unternehmen.«
    »Das ist doch gut, oder?« Halb war ihm klar, dass es ein taktischer Fehler war – dieses voreilige Umschalten auf den »Kopf hoch«-Modus, noch ehe die Phase des schweigenden Zuhörens vollendet war. Auf der rationalen Ebene wusste er, dass Beth vor allem reden, sich alles vom Herzen reden musste, statt zu argumentieren, zu erklären, irgendetwas zu verteidigen. Das wusste er im Kopf, aber sein Mund hatte andere Vorstellungen – er wollte sofort, dass alles wieder in Ordnung war.
    »Nein, zufällig halte ich das nicht für gut, Will. Ich finde es überhaupt nicht gut. Es macht alles nur noch rätselhafter, verdammt. Wenn meine Eizellen so perfekt und deine Spermien so irrsinnig fit sind, wieso zum Teufel KRIEGEN WIR DANN KEIN BABY?«
    Sie warf den Holzlöffel an die Wand, wo er einen Jackson-Pollock-Druck mit

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