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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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zu schnell; er rannte fast und war kaum zu erkennen. Es war zu dunkel, und das Licht über dem Eingang war nicht hell genug. Aber als er sich nach ein paar Schritten nervös umschaute, sah Will genug.
    Das Auffallendste waren seine durchdringend hellen Augen; sie waren von kaltem, glasklarem Blau. Aber Will erkannte ihn an der Haltung. Sie strahlte Selbstvertrauen und Sicherheit aus, als sei der Mann daran gewöhnt, seinen Körper zu benutzen. Die Kleidung war verändert, aber er war nicht zu verwechseln – mit oder ohne Baseballkappe.

51
    MONTAG, 0.13 UHR, MANHATTAN
    Wills erster Instinkt riet ihm, sich zurückzuhalten und den Mann zu beobachten. Er war es gewohnt, Dinge zu beobachten und zu sehen, wie sie sich entfalteten. Deshalb dauerte es ein, zwei Augenblicke, bis ihm klar wurde, dass das nicht genügte. Er würde den Verfolger jetzt selbst verfolgen müssen.
    Er war auf der Hut. Es war kaum jemand auf der Straße, und er war leicht zu bemerken. Also blieb er ein ganzes Stück hinter dem Mann und ging so leise, wie er konnte. Er verfluchte seine schwarzen Lederschuhe, die solchen Lärm machten, und bemühte sich, nicht mit den Absätzen aufzutreten.
    Aber der Mann, der vor ihm die Henry Street entlanglief, schien es eilig zu haben. Er rannte nicht, aber sein schneller Schritt erlaubte nicht, dass er sich umschaute. Will wurde mutiger; er ging schneller, so dass höchstens ein Häuserblock zwischen ihnen lag.
    Der Mann trug eine einfache schwarze Ledertasche an seiner Seite; der Riemen spannte sich wie eine Schärpe über die gegenüberliegende Schulter. Will war kein Experte, aber bei dieser ordentlichen Erscheinung und den gezirkelten Bewegungen hätte er sich gewundert, wenn der Kerl nicht irgendeine Beziehung zum Militär gehabt hätte.
    Inzwischen hatten sie die Clinton und die Jefferson überquert. Wo wollte der Mann hin? Zu einem Fluchtauto? Aber warum war er dann nicht gleich vor dem Haus erwartet worden? Vielleicht ging er zu einer U-Bahn-Station. Will verfluchte seine begrenzte Ortskenntnis; er hatte keine Ahnung, ob eine U-Bahn-Station in der Nähe war und wo sie sein könnte.
    Plötzlich drehte der Mann sich um. Will sah die Kopfbewegung, und in einem Reflex, dessen Ursprung er nicht kannte, schwenkte Will vom Gehweg auf die Eingangsstufen vor einem Mietshaus. Zugleich griff er in die Tasche und zog seinen Schlüsselbund heraus. Für den Mann vor ihm musste er jetzt aussehen wie einer, der sein Haus betreten wollte. Der Mann ging weiter, und Will atmete geräuschvoll aus; er hatte die Luft angehalten.
    Jetzt bog der Mann scharf nach rechts, und Will bemühte sich, nicht in sein Gesichtsfeld zu geraten.
    »Yo, Ashley, hast du meine Telefonnummer?«
    Will hatte sie nicht kommen sehen, aber jetzt standen sie vor ihm. Drei afroamerikanische Teenagermädchen versperrten den Gehweg. Will wollte sich an ihnen vorbeischieben, aber sie wollten sich einen Spaß machen.
    »Wohin so schnell, Süßer? Gefallen wir dir nicht? Sehen wir nicht gut aus?«, fragte eine, und die beiden anderen quietschten vor Lachen. Er spähte über ihre Köpfe hinweg und sah, dass der Mann in eine Seitenstraße in Richtung East Broadway einbog. Er war kaum noch zu erkennen.
    »Yo, hier bin ich, Honey!« Die Anführerin der drei wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht umher. Als geborener New Yorker hätte er sie ganz sicher mit einem knappen »Verpisst euch« zur Seite schieben können. Aber selbst hier, mitten in der Nacht und mit der Aufgabe, einen Mord zu verhindern, war er immer noch Engländer.
    »Entschuldigung, ich muss da vorbei. Bitte.«
    Er schwenkte an Ashley und ihren Freundinnen vorbei, und hinter ihm ging neues Gegacker los. »Meine Freundin sagt, du kannst ihre Nummer haben!«
    Will fing an zu rennen. An der Ecke bog er nach rechts und spähte die Straße entlang. Vor einer Haustür knutschte ein Pärchen, aber der Mann war nirgends zu sehen.
    Nur zwei der Häuser hier waren keine Wohnhäuser. In beide konnte der Mann sich verdrückt haben. Bis zum East Broadway konnte er noch nicht gekommen sein, sonst hätte Will ihn sehen müssen. Er ging langsamer und schaute sich immer wieder um; er wusste sehr wohl, dass man genau auf diese Weise in einen Hinterhalt lief. Nach fünfzehn Schritten gab er auf. Es war klar, dass er den Mann verloren hatte; er musste sich in eins der beiden Gebäude geflüchtet haben, die einander gegenüber standen. Will war jetzt nah genug, um zu sehen, was für Gebäude es waren. Das eine war

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